Heut möchte ich zwei Gedanken mit euch teilen. Und damit sich beide ausgehen, wird der eine auf Deutsch sein, der andere Auf Kroatisch – mit dem fang ich auch an.
Kann ich die EU für entgangene Urlaubsfreude klagen, weil im Mittelmeer so viele Leute ersaufen?
Und nicht nur ersaufen.
Nationalratsabgeordnete mit Rucksäcken wie Schulkinder rauchen letzte Zigaretten vor den Statements der Pressekonferenz. Im Hintergrund wird eine Fassade gereinigt, Parlamentsmitarbeiter in Nadelstreif machen Fotos ihrer Abgeordneten.
Vor einer Woche war Weltflüchtlingstag. NGOs, die entlang der Balkanroute arbeiten, haben vors Innenministerium geladen. Nur die FPÖ ist ferngeblieben. Dort wurde Nationalratsabgeordneten (VP, G, SP, Neos) ein Schwarzbuch übergeben. Darin dokumentiert 900 Zeug:innenaussagen über Pushbacks, also das Verweigern von Asyl an den Grenzen zur europäischen Union. Etwa in Griechenland und Kroatien. Kroatien, die Balkanroute, sei am schlimmsten. SOS Balkanroute forderte bei der Pressekonferenz, dass die österreichische Politik bilateral Druck auf Kroatien ausüben soll.
Dieses Weigern der Aufnahme verletze Menschenrechte, in vielen (und dokumentierten) Fällen wenden Grenzbeamte und Grenzpolizei Gewalt an. Zurück über die Grenze prügeln wäre eine Umschreibung für Pushback. Ob die Menschen jung sind, ob schwanger, ist scheinbar egal.
Was nach der Pressekonferenz bleibt, sind Bilder. Ein politischer Menschenhaufen, der zu beschwichtigen versucht. Dahinter eine aufgebaute Wand. Wall of shame. Auf ihr Fotos von geflüchteten Menschen – mit Narben und großen Wunden. Zwei bosnische Schwestern kümmern sich sonst um Verletzte an der kroatisch-bosnischen Grenze, in Wien fragen sie Abgeordnete, ob unsere europäischen Werte eigentlich nur auf dem Papier gelten?
Kommst du übers Meer, säufst du vielleicht ab. Kommst du übers Land, beißt dir ein kroatischer Schäferhund in den Oberschenkel.
Abseits vom Wiener Minoritenplatz und der Pressekonferenz hat die Schande an Europas Grenzen und die politische Pattsituation in ihren Zentren die Initiative „From the Sea to the City“ angestoßen. In ihr sind Bürgermeister:innen von Palermo bis Syrakus, Potsdam bis Marseille vereinigt und verstehen sich als Gegenentwurf zur Migrationspolitik der EU. „Wenn es uns gelingt, eine Koalition der Willigen oder der Freiwilligen zu schaffen, die regelmäßig aufnehmen und helfen wollen, dann befinden wir uns auf einem Weg“, so Mike Schubert, Bürgermeister von Potsdam gegenüber der Frankfurter Rundschau.
Wollen wir hoffen, dass es nicht nur bei einer schönen Idee bleibt.
Weiterführendes
Frankfurter Rundschau zu Konferenz von From the Sea to the City
Seawatch: Updates der Moonbird
Titelfoto: Petar Rosandić von SOS Balkanroute. Foto von Konstantin Vlasich.