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Was wollen die Kärntner Slowenen vom EU-Parlament, Roman Roblek?

Zač su išli Koruški Slovenci pred EU-parlamenat? 

Die größten Vereine der Kärntner Slowen:innen gingen vors EU-Parlament, um Österreich zu mahnen, es möge sich um die Rechtsstaatlichkeit und Reformen für seine Volksgruppen kümmern. Roman Roblek (am Foto zweite Person linksGustia Gasser (Vizevorsitzende ZSO), Jurist Roman Roblek, Anwalt Rudi Vouk, Valentin Inzko (NSKS-Vorsitzender), Gabriel Hribar (Vorsitzender Enotna lista)) ist einer jener Juristen, die die Petition ans EU-Parlament aufgestellt haben. Im Interview erzählt er, was am Vorhaben gelungen ist und welche rechtlichen Verfehlungen sich Österreich bei seinen Minderheiten leistet. A zač su samo Koruški Slovenci išli pred EU-parlamenat?


NG: Damit es auch jemand versteht, der sich noch nicht mit der Materie befasst hat: Was wollten die Vertreter:innen der Kärntner Slowen:innen mit der Petition vorm EU-Parlament erreichen? 

Roman Roblek: Bei gewissen Themen wie bei der vorschulischen Erziehung, bei der Gerichtsbarkeit, bei der Amtssprache beißen die Vertreter:innen der Kärntner Slowen:innen einfach auf Granit – vor allem bei österreichischen Politikern auf Bundesebene. Wir haben schon öfter bemerkt, dass es dafür zwei Gründe gibt. Einer ist, dass man den Kärntner Slowen:innen mitteilt, sie wären ohnehin nicht abgestimmt. Ihr seid vier Organisationen, ihr habt keine einheitliche Meinung. Es gibt aber bei 90 Prozent der Themen durchaus eine einheitliche Meinung. Und das war das erste Mal, dass man zusammen, auf einem Dokument Unterschriften aller vier Organisationen, also der drei Vertretungsorganisationen plus der Enotna Lista (die Kärntner slowenische Partei mit dem übersetzten Namen Einheitsliste) vereint hat. Bereits als wir die Pressekonferenz gemacht haben, dass wir die Petition eingereicht haben, waren wir in „Kärnten heute“ oder in der Kleinen Zeitung. Sogar ein paar Beamte haben sich gemeldet, die bei einigen Themen Dialogbereitschaft signalisiert haben. Der öffentliche Druck beschleunigt ein paar Prozesse, wo man sonst eher auf einen Termin bei einem Minister wartet. Wir wollten einfach den Druck auf die Bundesregierung erhöhen, die offenen Fragen der Volksgruppenpolitik endlich anzugehen. 

NG: Um noch kurz auf der EU-Seite zu bleiben, bevor wir noch mal auf die Themen eingehen, die ihr gefordert habt. Es gab diese Anhörung im EU-Parlament, welche Parlamentarier:innen standen da auf eurer Seite und warum? 

Roblek: Schon vorab haben wir Lobbyarbeit betrieben. Dort im so genannten PETI Ausschuss waren dann sechs, sieben Abgeordnete, die die Petition offiziell unterstützt haben. Darunter Thomas Waitz, der grüne EU-Abgeordnete aus Österreich, der quasi gegen seine eigene Regierung eine Rede gehalten hat, dass das nicht gehe, dass diese Fragen noch nicht gelöst sind. Daneben gab es zwei slowenische Abgeordnete von zwei eher konservativen Parteien, einen Sozialdemokraten aus Slowenien oder auch noch Lorant Vincze, den FUEN-Präsidenten, der auch EU-Abgeordneter ist, sowie ein paar EFA-Abgeordnete. Also die der European Free Alliance angehören, das ist ein Zusammenschluss europäischer Minderheitenparteien, die sich mit den Grünen eine Fraktion teilen. Dort hat für uns eine Abgeordnete aus Galizien, Ana Miranda, gesprochen. 

NG: Über diese Petition ist also positiv abgestimmt worden. Ist das denn unüblich? 

Roblek: Vorweg, es gibt 1300 Petitionen, die jedes Jahr eingereicht werden. Nur fünf Prozent davon kommen zu einer Anhörung, die allermeisten werden einfach geschlossen, also für nicht relevant genug erklärt. Von der Co-Vorsitzenden des Ausschusses, Ana Miranda, eben jener Abgeordnete aus Galizien, wurde vorgeschlagen, dass die Petition offen bleibt, sodass die EU-Kommission binnen drei Monaten eine Stellungnahme schreiben muss. Man will also auch, dass die Petition nicht nach den EU-Wahlen in der Schublade verschwindet. 

NG: Das ist auch eine der Befürchtungen, weil sich die Europäische Kommission ja gerne mit der Begründung abputzt, dass Minderheitenrechte auf nationaler Ebene verankert seien. 

Roblek: Auch die Sprecherin der Kommission, also die anwesende Vertreterin der Kommission, hat so ein typisches Blabla in dieser Richtung geliefert. Es sei für die EU nicht relevant. Wir schätzen zwar die Minderheiten, hätten aber keine Kompetenzen. Dann hat sie sechs Gegen-Antworten von allen diesen sechs genannten EU-Abgeordneten bekommen. Da konnte die Petition nicht mehr geschlossen werden, weil es eine 100-prozentige Zustimmung von den Anwesenden gab. Das werten wir schon als einen politischen Erfolg. Zuvor war da ein Italiener drin, der wollte ein Auslandswahlrecht für alle Auslandsitaliener. Der ist abgeschmettert worden in fünf Minuten, wohl weil er sich nicht durch Lobbying die Mehrheit gesichert hat. 

NG:  Nachdem die von der FUEN getragene EU-Bürgerinitiative Minority Safepack genug Unterschriften gesammelt hat, hat die Kommission verlautbart, sie werde keine rechtlichen Schritte einleiten. Was ist denn bei dieser Petition zugunsten von Minderheiten anders?  

Roblek: Bei der Minority Safepack Initiative ist es die Kommission, die handeln muss, also da muss die EU-Kommission etwas im Minderheitenbereich umsetzen. Hier ist der Adressat der Staat Österreich oder die österreichische Bundesregierung. Das heißt, die Kommission hat hier die Möglichkeit Stellung zu beziehen. Und es gibt auch einen EU-Rechtsstaatlichkeitsbericht, wo man das auch aufgreifen könnte, dass der österreichische Staat im Minderheitenbereich die Rechtsstaatlichkeit nicht so umsetzt, wie es erforderlich wäre. Die Kommission muss unsere Sache nicht umsetzen, sondern nur einen Mitgliedstaat ermahnen. Unser Ziel ist, durch Druck auf EU-Ebene aufzuzeigen, wir lassen uns nicht abkanzeln. Wenigstens gibt es seit der Petition im Bereich der vorschulischen Erziehung eine Arbeitsgruppe. 

Roman Roblek. Foto: privat

NG: Zurück auf die einzelnen Themen, die eigentlich diese Petition über den Umweg Brüssel, eben aber von Österreich einfordert. Die Themen sind keine neuen.  Zum Beispiel, wenn es um die topographischen Aufschriften in Kärnten/Koroška geht.  Der Ortstafel-Kompromiss steht ja seit 2011. 

Roblek: Aus dem Ortstafelkompromiss heraus hat sich ein Versprechen ergeben, das VG-Gesetz neu zu kodifizieren. Und das steht auch im Regierungsprogramm zwischen Grünen und ÖVP und bis heute gibt es keinen Vorschlag. Das heißt, man hat damals einen sehr faulen Kompromiss unterschrieben mit dem Versprechen, der zügigen Umsetzung des VG-Gesetzes. Zügig ist immerhin 13 Jahre später, also der Begriff ist sehr dehnbar. Und das Thema ragt über die Kärnter Slowen:innen hinaus. Dadurch, dass man damals Ortstafelbestimmungen in Verfassungsrang gehoben hat, gibt es keine Möglichkeit Fehler vor dem Verfassungsgericht einzuklagen. Das heißt, uns wurde der Rechtsweg abgeschnitten. Hier fordern wir ein Verbandsklagerecht. Zum Beispiel wenn es in einer zweisprachigen Ortschaft keinen zweisprachigen Kindergarten gibt.  

NG:  Mit dem Thema Ortstafeln hängt auch die Amtssprache zusammen. Im Artikel 7 des Staatsvertrages steht, dass man im zweisprachigen Gebiet, also vor Behörden, vor Gerichten auf slowenisch sprechen können sollte. Kann man die Sprache anwenden?  

Roblek: Die slowenische Sprache in Kärnten verschwindet, weil sie im öffentlichen Raum nicht anwendbar ist. Ich kann nicht zu einer Behörde gehen und etwas auf Slowenisch einfordern, weil es keine Mitarbeiter gibt, die slowenisch sprechen. Es gibt ganz wenige Ausnahmen, wo man auf Slowenisch sprechen kann. Und ich spreche hier noch nicht von Formularen oder schriftlichem Verkehr. Ein Sprung nach Süditrol: Da gibt es ganz klare Gesetze. Wenn jemand in einer drei-sprachigen Gemeinde arbeitet, muss er deutsch, ladinisch und italienisch können, dafür gibt es auch einen finanziellen Zuschlag. Weil er in drei Sprachen korrespondiert und das ja mühsam ist. Bei uns gibt es keine gesetzlichen Anstellungserfordernisse in zweisprachigen Gebieten. Im Staatsvertrag ist alles schön deklariert, aber wenn du in der Praxis zu einem Amt gehst, kriegst du keine Auskunft in Slowenisch. 

NG: Rund um die Petition brachtet ihr ein Beispiel, dass ein slowenischer EU-Bürger mehr Rechte vor einem Gericht in Kärnten hätte als ein Kärnter Slowene, der österreichischer Staatsbürger ist. Warum? 

Roblek: Es haben nur jene Kärnter Slowenen am Landesgericht slowenisch zu verwenden, die aus jenen Dörfern kommen, wo eine zweisprachige Ortstafel in Verfassungsrang gehoben wurde. Jetzt kommt aber ein EU-Bürger aus Slowenien, der kann laut EU-Rechtssprechung in Klagenfurt immer Slowenisch verwenden. Jeder EU-Bürger, auch wenn er jetzt Finne wäre, könnte Slowenisch verlangen am Landesgericht in Klagenfurt, aber zwei Drittel der Kärntner Slowenen, die hier leben, nicht. Wenn man das auf EU-Ebene erzählt, gucken dich alle an, „he, was ist denn bei euch los?“ Das ist die gelebte österreichische Rechtsstaatlichkeit. 

NG: Abschließende Frage: Die Kärntner Slowenen sind nur eine der sechs anerkannten autochthonen Volksgruppen in Österreich. Gab es eigentlich auch Bestrebungen, die anderen an Bord zu holen bei dieser Petition? 

Roblek: Unser Ziel war einmal, unsere vier Organisationen an einen Tisch zu bekommen und eine einheitliche Meinung zu formulieren. Im Staatsvertrag sind nur die Kroaten und Slowenen drin, das wäre ein Problem, dass man die Petition in mehrere Teile aufsplitten müsste, zudem sind nicht alle Minderheitenrechte so gut verankert, wie die der Kroaten und Slowenen.


Roman Roblek (*1990) lebt in Klagenfurt/Celovec und ist Generalni tajnik/Generalsekretär des Slowenischen Wirtschaftsverbands Kärnten und rechtlicher Berater der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten FUEN.

Titelfoto: Marko Oraže

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