Seit geraumer Zeit habe ich nichts von mir lesen lassen. Auch jetzt wird es nicht mehr als eine Depesche. Noch befinde ich mich in Burriana, Spanien.
Seit Sommer letzten Jahres ist die Sea-Watch 3 nicht mehr auf Einsatz gewesen – nach der Festsetzung durch die italienischen Behörden wurde das Schiff nun in der Werft gewartet. Während die Kontrollen durch die italienischen Behörden den ganzen Tag dauerten und ganz offensichtlich politisch motiviert waren, war die Kontrolle hier in Spanien so, wie sie sein soll: Sie war kurz, klar, fair und sie bestätigt die Sicherheit eines sicheren Schiffes – und sucht nicht auf bewusste und schikanöse Art und Weise nach der Nadel im Heuhaufen, um ein weiteres Schiff der zivilen Seenotrettung zu blockieren.
Nun wollen wir erneut hinaus aufs Wasser und sind gespannt, was passiert – absurd, dass sich diese Spannung nicht bloß auf die Rettungen selbst, unser eigentliches Anliegen, bezieht, sondern auch darauf, ob wir in Italien erneut blockiert werden. So ergeht es nach wie vor der Sea-Watch 4, die weiterhin da liegt, wo ich im September 2020 von Bord gegangen bin: in Palermo. Ja, während weiterhin Menschen das Recht zu gehen und zu bleiben verwehrt wird, während Menschen weiterhin vor der Festung Europa ertrinken, mühen wir uns mit politisch willkürlicher und bürokratischer Zermürbung ab. Umso bemerkenswerter finde ich es und glücklicher bin ich, nun wieder auslaufen zu können.
In der Zwischenzeit ist am Zentralen Mittelmeer einiges passiert: Im Jahr 2020 wurden über 11000 Menschen von der sogenannten libyschen Küstenwache illegal abgefangen und in ein Bürgerkriegsland verschleppt – finanziert von der EU. Einen super aufgearbeiteten Überblicksartikel findet ihr hier.
Seit Beginn des Jahres 2021 sind durchschnittlich drei Menschen pro Tag ertrunken. Die Zahl der Überfahrten nimmt wieder zu – ungeachtet dessen, ob Schiffe im Einsatzgebiet sind oder nicht.
Einige hundert Personen wurden in den letzten Wochen durch Rettungen der Organisationen Open Arms und SOS Mediterrané gerettet. Beide Schiffe befinden sich nun zur Quarantäne in Italien. Im Einsatzgebiet selbst ist zur Zeit niemand.
Jan Böhmermann hat vor einigen Tagen eine sehenswerten Beitrag gesendet und die sogenannten Frontexfiles veröffentlicht.
Wir laufen – wenn alles glatt geht – in den nächsten Tagen aus. Wie schon zuletzt, seit ihr mit Twitter am besten beraten, um am Laufenden zu bleiben.
Ich hoffe, euch geht es gut in dieser trüben Zeit.
Bestes,
Jakob
Jakob Frühmann wuchs im Südburgenland auf und pendelt zwischen ebendort, Wien und der übrigen Welt. Neben seiner Tätigkeit als Lehrer schreibt er Unterschiedliches, fährt gern zur See und engagiert sich seit einigen Jahren bei Sea-Watch. Seine letzten Artikel für Novi Glas sind vor und nach der letzten SW-Mission entstanden.