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Die burgenländische Hymne hat ein NS-Problem. Soll sie neu geschrieben werden?

Zusatz: Die rassistische Hymne der Burgenlandkroaten.

Die Schriftstellervereinigung IG Autorinnen Autoren zeigt einmal mehr auf, welche Problematik in den Hymnen der Bundesländer besungen wird und diesmal richtet sie das Scheinwerferlicht auf die burgenländische Landeshymne, deren Komponist nach neuen Erkenntnissen eine “durchaus aktive” NS-Vergangenheit hatte. Während die Landespolitik die Debatte um eine Hymnenänderung flink abzudrehen versucht, sieht man, dass die burgenländische Hymnendebatte nicht neu ist. Bereits vor mehr als 40 Jahren gab es einen Aufschrei wegen einer Satireversion der Hymne. Heute wünschen sich Künstler:innen wie Peter Wagner Bereitschaft zur Beschäftigung mit dem problematischen Erbe. Zudem könnte man bei der Hymne in der Original-Version erfragen, ob “mein Heimatvolk” denn alle Volksgruppen des Landes repräsentiert.

NS-Vergangenheit und Ständestaatshymne

Geschichtlich sieht die Sache so aus: Der Kleinbauer und Musiker Peter Zauner aus Pöttsching und seine Musikkapelle seien laut Recherchen des Historikers Herbert Brettl bereits im “Anschlussmonat” März 1938 zu einer Kraft durch Freude Fahrt nach Deutschland gefahren und hätten diesen Ausflug musikalisch begleitet. 500 Nordburgenländer, vor allem Nazi-Aktivisten und Arbeiter, seien auf diese Reise nach Leipzig gefahren, wo auch Adolf Hitler eine Rede hielt. Noch im selben Jahr 1938 habe Zauner einen Antrag gestellt, in die NSDAP aufgenommen zu werden. Für Historiker Brettl im Interview mit dem Magazin Prima, sei der Komponist Zauner ein Opportunist gewesen, der seine Funktionen etwa in der örtlichen Winzergenossenschaft behalten wollte. Dass der Hymnenkomponist Zauner etwas mit den Nazis zu tun hatte, stand bislang jedenfalls nicht im Hymnen-Erklärdokument des Landes, das hier verfügbar ist. Die Melodie schrieb Zauner 1936.

Der Textautor der Hymne Ernst Joseph Görlich, der in Steinberg gelebt hat, hatte zwar keine NS-Vergangenheit, allerdings schrieb er die Hymne nicht aus freien Stücken, sondern für einen 1935 ausgeschriebenen Wettbewerb im austrofaschistischen Ständestaat – daher dürfte auch die christliche Note “auf dir ruht Gottes Vaterhand” im Text rühren. Er wurde aus 105 Einsendungen erwählt.

IG Autor:innen: Hymne zur Repräsentation ungeeignet

Im offenen Brief der IG Autorinnen Autoren – sie stützt ihre Forderungen auf die Recherchen Brettls – schreibt die Vereinigung, dass die Hymnenkomponisten und -dichter als Repräsentanten eines Bundeslandes der demokratischen Republik Österreich ungeeignet seien. Die IG fordert die Ablöse der bisherigen burgenländischen Landeshymne durch eine neue. Und das sollte nicht allzu schwerfallen, “da die Landeshymne auf ausdrücklichen Wunsch der österreichischen autoritären Ständestaatsregierung zustande kam” und sie 1949 nach der Abschaffung durch den Nazi-Staat wieder eingesetzt wurde. Demokratisch unanzweifelbar sei sie jedenfalls nicht.

Die IG Autor:innen schreibt im offenen Brief zudem, es wäre ein großes, beispielgebendes Signal, die Suche nach einer neuen Landeshymne zu starten, “nach einer Hymne, die dem Geist und Wirken heutiger im Burgenland geborener und aufgewachsener Generationen und Künstler wie Christian Kolonovits oder dem leider schon verstorbenen Willi Resetarits Rechnung trägt.” Eine Version dieser Künstler gibt es bereits (dazu später).

Kollektives Hymnensingen in Schlaining mit Willi Resetarits, dirigiert von Christian Kolonovits. Foto: NG

Husch-husch Reaktionen

Die burgenländische Politik antwortet prompt bis fast allergisch. Binnen wenigen Stunden wird versucht, der Debatte der Garaus zu machen. Aus dem Hans-Peter-Doskozilschen Landeshauptmannsbüro (SP) hieß es laut ORF, man nehme das Schreiben der IG-Autor:innnen sehr ernst, würde den Komponisten Zauner noch einmal wissenschaftlich durchleuchten. Aber es bestünde keinerlei Notwendigkeit, die Landeshymne selbst in Frage zu stellen, so Doskozils Büro. Aus ähnlichen Richtungen pfeifen ÖVP und FPÖ im Burgenland. Die Hymne sei laut VP-Christoph Sagartz kein politischer Spielball, sondern ein kulturelles Erbe – “die Hymne muss bleiben”, FP-Alexander Petschnig sprach von einem “Bildersturm der Jahrzehnte”, den es mit der FPÖ nicht geben werde. Lediglich von grüner Seite sieht man die Chance, in einer Hymne zu zeigen, dass sich das Burgenland in 100 Jahren sehr viel weiterentwickelt habe. Laut Grünen-Sprecherin Regina Petrik habe das Burgenland noch einige braune Flecken, sie forderte deren Entfernung.

Künstlerisch wird die Änderung gelebt

Historiker Brettl, der die Hymnendebatte lostrat, meinte gegenüber der BVZ, dass er keine Veranlassung zur Änderung oder Streichung sehe. Anders könnte man das sehen, wenn man sich die künstlerische Beschäftigung mit der Hymne genauer ansieht. Nicht nur in jüngster Zeit war die burgenländische Hymne Inspirationsquell und Spielspaß künstlerischer Prozesse.

Anfang der 1980er sorgte Autor Peter Wagner für eine Version, die abgedruckt in einem Band der Landesregierung und zum 60er des Burgenlandes, zu Rücktrittsaufrufen an den damaligen SP-Kulturlandesrat Gerald Mader führte – darin schrieb Wagner die berüchtigte Anlehnung:

Mein Heimatvolk mein Heimatland,
Dem Arsch der Welt verbunden.
Auf dir ruht manches Mächtigen Hand,
sie hat dich oft geschunden.
(…)

Heute sieht Peter Wagner ein, dass sein Text in keiner Weise geeignet wäre, ein neues Hymnengefühl für das Burgenland zu erzeugen, so der Autor und Regisseur gegenüber NOVI GLAS. Aber im Originaltext stecke laut Wagner damals wie heute erschreckender Pathos mit unverhohlen bräunlicher Heimattümmelei und so rief er im Zuge des 100-jährigen Landesjubiläums 2021 Kolleg:innen dazu auf, ihm alternative Landeshymnen zuzusenden. Da schrieb Autorin Katharina Tiwald etwa im Zuge der Abhandlung “Das jüngste Land” einen Text, den Sophie Reyer vertonte, mit dem wiederkehrenden Chorus:

Gebt mir Verve und Sterz,
Verve und Sterz,
Hirnschmalz und Herz!

Hundertmal origineller als das, was sich Görlich unter ständesstaatlichen Einschränkungen 1935 erlauben durfte. Aber auch bei Tiwald bleibt der Text auf Deutsch.

In der burgenländischen Hymne anno 1935/1936 gibt es keinen Verweis auf die sprachliche Vielfalt des Burgenlandes mit seinen autochthonen Volksgruppen. Im Gegenteil dürfte der Gesang vom “Heimatvolk” eher ausschließend gemeint sein. Oder ist davon auszugehen, dass Komponisten mit NS-Hintergrund oder Ständestaatshymnenschreiber die Burgenlandkroat:innen, Burgenlandungar:innen und Burgenlandrom:nja beim “Heimatvolk” mitgemeint haben?

Wer ist “Heimatvolk”?

Unerwähnt sollte nicht bleiben, dass die Hymne einmal schon, im Zuge der offiziellen 100-Jahr-Feier des Bundeslandes und unter dem Dirigentenstab von Christian Kolonovits sprachlich erweitert wurde.

Da gab es eine orchestral aufgeblasene, viersprachige Version der Hymne von Dirigent Kolonovits, bei der Willi Resetarits und die Basbaritenori den neu gedichteten kroatischen Part gesungen haben. Dieser war übrigens nicht reine Übersetzung, denn von einem “Vielfalt ist dein Reichtum”Različnost je bogatstvo ti findet man im Original kein Wort. Für das Vokalensemble Basbaritenori hat einer ihrer Sänger, Tome Jankovič, den kroatischen Teil auf Bitte Kolonovits’ getextet. Allerdings ist Jankovič kein burgenländischer Kroate aus Österreich, sondern aus der Slowakei. Mit ein bisschen Humor ist das ein Detail, das gut zur Hymne und der schicksalsreichen Grenzziehung 1921 passt. Wie oft die viersprachige Hymne seither gesungen wurde, ist nicht bekannt.

Peter Wagner meint gegenüber NOVI GLAS vier Jahrzehnte nach seiner aufsehenerregenden Dichtung und in Anbetracht der weiteren Beispiele, dass Kritik an der burgenländischen Hymne sogar eine gewisse Tradition habe. Ernst genommen sei die Kritik allerdings nie worden, so Wagner. Die Zeit ist reif für einen neuen Versuch.

Bei der 100-Jahre-Burgenland Feier gab es eine mehrsprachige Version der Hymne von Christian Kolonovits mit u.a. Willi Resetarits und Melinda Stoika

Die burgenlandkroatische Hymne diskriminiert andere Minderheiten

Und wenn wir schon beim Thema Hymne sind. Die mehr oder weniger offizielle Hymne der burgenländischen Kroat:innen “Hrvat u Gradišću” bzw. “Hrvat mi je otac”, verfasst vom Priester und Schriftsteller Mate Mersić Miloradić/Mattäus Mersich, ist auch alles andere als zeitgemäß. In ihrer dritten Strophe geht es antisemitisch und antiziganistisch her:

Ne kupi se Cigan,
Ne kupi se ni Žid!
Hrvata kupte si,
Hrvat je svim profit!

Abschließend kann man festhalten: Im Burgenland gibt es nicht nur eine, sondern gleich zwei Landeshymnen, die neu geschrieben werden sollten. Nein, müssten!


Anmerkung: Ein Basbaritenori-Zitat wurde nach Absprache entfernt.

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