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Peršmanhof-Einsatz: Nicht gegen die Minderheit gerichtet?

Der Peršmanhof-Bericht und seine blinden Flecken

Am 27. Juli 2025 rückte die Polizei am Peršmanhof an – dorthin, wo 1945 elf Angehörige der Familien Sadovnik und Kogoj von einer SS-Polizeieinheit ermordet wurden.
Die Bilder von Polizisten in voller Montur zwischen Gedenktafeln lösten Empörung aus – in Kärnten, Ljubljana und Wien.
Der nun vorliegende Bericht des Innenministeriums versucht zu erklären – und beschwichtigt.
Seine Botschaft: kein Angriff auf Minderheit oder Gedenkort.

Warum diese Erklärung unzureichend ist.


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„Kein Einsatz gegen die Volksgruppe“ – das Beruhigungsnarrativ

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) betonte bei der Pressekonferenz zum Bericht, die Maßnahmen seien „weder gegen die Volksgruppe noch gegen die Gedenkstätte gerichtet“ gewesen. Auch Kommissionsleiter Matthias Vogl (BMI) hielt diese Linie. Doch in Kärnten geht es bei solchen Einsätzen nie nur um Absicht, sondern um Wirkung.

Wer an einem Erinnerungsort des slowenischen Leidens mit Hund, Hubschrauber und Helm einschreitet, setzt ein Symbol. Wer am Peršmanhof einschreitet, handelt in einem historischen Resonanzraum, der unweigerlich mit der slowenischen Minderheit verbunden ist.

Teilweise rechtswidrig – und trotzdem beschwichtigend

Der Bericht zeigt deutliche Anzeichen polizeilicher Willkür. Die angeblichen Beschwerden über illegales Campieren wurden von der Polizei nicht nachvollziehbar belegt. Die Initiative ging vom stellvertretenden Leiter des Landesamts für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) aus – ohne Zuständigkeit und ohne Rücksprache mit Vorgesetzten. Die Kommission hält fest: Der Einsatz sei in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig und unverhältnismäßig gewesen.

Minister Karner und der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit Franz Ruf sprachen dagegen von „Fehlverhalten einzelner Führungskräfte“ – eine Formulierung, die strukturelle Verantwortung vermeidet. Der Bericht belegt Rechtswidrigkeit und Unverhältnismäßigkeit, verwässert das aber im Ton.

Das „Antifa-Label“ als Vorwand

Die Veranstaltung trug offiziell den Titel „Antifa-Camp“ und war ein Bildungstreffen des slowenischen Studierendenvereins KSŠŠD. Im internen Handout des LSE-Leiters wurde dieser Titel jedoch als sicherheitsrelevant interpretiert: Antifa wurde dem „linksextremistischen Aktionsfeld“ zugerechnet – samt Hinweisen auf Gewaltbereitschaft und Staatsgegnerschaft. Damit war der Deutungsrahmen gesetzt, noch bevor eine Rechtsgrundlage geprüft war.

Die Kommission hält fest: Der Einsatz diente dazu, Identitätsdaten aller Teilnehmenden zu erfassen; die angeführten Übertretungen – Camping, Naturschutz, „Anstand“ – waren bloßer Vorwand.
Vogl formulierte es in aller Deutlichkeit so:

„Der Anlass – Camping, Parken, Anstandsverletzungen – war ein Vorwand, um an die Identitätsdaten aller Campteilnehmenden zu kommen.“

Sektionschef und Kommissionsleiter Mathias Vogl
Leiter der Expert:innenkommission Mathias Vogl (BMI). Foto: Vlasich

Das „Antifa“-Stichwort diente als Legitimation für ein Einschreiten auf wackligem Grund.

Hausordnung statt Haltung

Die Kommission verweist im Bericht auf das Hausordnungsverbot für Transparente am Peršmanhof – auf das sich die Polizei zur Rechtfertigung ihres Einschreitens berief. Tatsächlich aber hält die Kommission fest, dass die Durchsetzung einer solchen Hausordnung nicht Aufgabe der Polizei sei.

Die Meinungsfreiheit nach Art. 10 EMRK schützt auch provozierende Transparente – ebenso wie die an einem Zelt angebrachte Palästina-Fahne, die kein verbotenes Symbol ist.

Das Vorgehen aus Sicht der Beamten mag für manche nachvollziehbar gewesen sein, erinnerungspolitisch bleibt es fragwürdig. An einem Ort, an dem einst die Polizei mordete, ist Zurückhaltung angebracht – oder wenigstens ein Telefonat mit der Gedenkstätte im Vorfeld.

Dass gleichzeitig Bodycams liefen, ein Polizeihund bereitstand und sogar ein Hubschrauber-Fotoflug herangezogen wurde, zeigt, wie maßlos dieser Einsatz geriet. Laut parlamentarischer Anfrage kostete der Einsatz rund 14 800 Euro – für ein Wochenende mit ein paar Zelten, Transparenten und unbewiesenen Beschwerden.

Amtssprache Slowenisch – pre pozno za malo

Bei diesem Aufwand hätte man wohl auch mehr slowenischsprachige Beamte entsenden können.
Doch laut Bericht war nur ein einziger vor Ort; ein Dolmetscher traf erst später ein – da liefen bereits Identitätsfeststellungen.
Wenn der Einsatz nicht „gegen die Minderheit“ gerichtet war – warum war die Amtssprache nicht von Beginn an gesichert?

Auf Nachfrage zur unzureichenden Slowenisch-Amtshandlung reagierte Kommissionsleiter Vogl gegenüber Novi Glas forsch:

„Ich werde mich bei Ihnen zu gar nichts rechtfertigen. […] Sie werden im Bericht feststellen, dass ein Beamter vor Ort war, der slowenisch sprechend war. Der hat offensichtlich einen starken slowenischen Dialekt gehabt. Sodass der Bezirkshauptmann runtergefahren ist, den Amtsdolmetscher organisiert hat und noch einmal mit dem Dolmetscher vor Ort gekommen ist. Kein Campteilnehmer hat slowenisch gesprochen, sondern alle deutsch.“

Mathias Vogl, Kommissionsleiter

Gerade diese Antwort zeigt, wie institutionelle Unsensibilität entsteht: Statt den Mangel an Sprachkompetenz als Problem zu erkennen, wird er relativiert. An einem Ort slowenischer Erinnerung wird das Sprachrecht zur Nebensache.

Bislang haben Kommission und das BMI keine Entschuldigung für den Einsatz ausgesprochen. Foto: Vlasich

Diplomatische Verstimmungen mit Slowenien

Bei der Pressekonferenz erklärte Generaldirektor Franz Ruf, er habe „beim slowenischen Botschafter Bedauern über das Fehlverhalten“ geäußert – eine formale Entschuldigung blieb jedoch aus. Innenminister Karner wich der Frage nach einer Entschuldigung insgesamt aus; er sprach lieber über das große Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei.

Sloweniens Regierung nannte das Vorgehen der Polizei am Peršmanhof zuvor „unverhältnismäßig“. Die slowenische Präsidentin Nataša Pirc Musar sprach den Vorfall beim österreichischen Bundespräsident Alexander Van der Bellen an; auch die slowenische Außenministerin besuchte den Peršmanhof.

Wer im Gedenkjahr – 80 Jahre nach Kriegsende – am Gedenkort des slowenischen Widerstands einschreitet, belastet das Verhältnis zweier Nachbarn. Es hilft, den Bericht auch als diplomatische Schadensbegrenzung im kommissionellen Gewand zu lesen. Die Pressekonferenz wurde simultan auf Slowenisch übersetzt, der Bericht erschien zweisprachig.

Verantwortung in Kärnten – neue Fragen, gefangen im Gestern

Zurück nach Kärnten. Eine zentrale Rolle beim Einsatz spielte der Bezirkshauptmann von Völkermarkt/Velikovec, Gert-Andre Klösch. Er war beim Einsatz anwesend, blieb laut Bericht „beobachtend“ – und verweigerte infolge der Kommission jede Auskunft. Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) beauftragte nach Erscheinen des Berichts dienstrechtliche Prüfungen, betonte aber ebenfalls:

Der Einsatz sei nicht gegen die Volksgruppe gerichtet gewesen.

Damit wiederholt auch die Landespolitik jene Formel, die die Komplexität des Vorfalls verkennt.
Denn betroffen war nicht nur die slowenische Volksgruppe, sondern eine vielschichtige Gemeinschaft junger, mehrsprachiger, teils migrantischer Menschen, die sich politisch engagieren – an einem Ort, der untrennbar mit slowenischer Erinnerung verbunden ist.
Wie so oft bleibt dieses Zusammenspiel aus Minderheitenstatus, Sprache und Engagement im offiziellen Diskurs unsichtbar.

Und dieses Narrativ reicht tief – von der Wiener Herrengasse bis nach Koroška, Verzeihung: Kärnten.


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