Willkommen bei Immo Glas,
In unserer neuen Rubrik wollen wir uns den interessantesten und spannendsten Bauten Österreichs widmen.
Seitdem im Jahr 2015 der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (auch „MICHI!“ genannt) im Wahlkampf bekannt gab, nach elf Jahren Abstinenz neue Gemeindebauten errichten zu lassen, ist viel geschehen. Nicht nur sind seit dem Jahr 2015 – und wir, die Immo-Glas-Redaktion, haben das nachgerechnet, zehn (!) Jahre vergangen – es hat sich auch sonst viel getan: nicht nur fünf Teile der Fast & Furious-Reihe, Ibiza, die Olympia-Goldmedaille von Anna Kiesenhofer, sondern auch Klimawandel, Covid, Rechtsruck, eh scho wissen, etc, etc.
Es sind eben auch neue Gemeindebauten entstanden. Als erster der – vollkommen zurecht die Namensgeberin ehrende – Barbara-Prammer-Hof (errichtet 2017-2019) in Favoriten, gefolgt von mehr als zwei Dutzend anderen Projekten, verteilt über die ganze Stadt, teils noch in Bau befindlich.

Einer davon wurde auf den ehemaligen Gründen der Gösserhallen an der Laxenburgerstraße errichtet. Einst wurde dort aus Leoben kommend das mit der Südbahn nach Wien gebrachte Bier eingelagert, bevor es auf Wien und sein Umland verteilt wurde. Der Standort ergab sich aus der nahen Lage am ersten Südbahnhof. Heute im Zeitalter des modernen und überhaupt ersten Hauptbahnhofs – der übrigens, und da hätten wir die Zahl schon wieder, 2015 in Vollbetrieb ging – ist nicht mehr viel übrig von der einstigen Dimension, die so ein Bahnhof damals in seinem Flächenfraß bedeutete.
Der Südbahnhof und sein Gelände waren für lange Zeit eine die Stadt trennende Schneise. Auf der einen Seite das seit dem 19. Jahrhundert proletarisch und migrantisch geprägte Favoriten, auf der anderen die gutbürgerliche Wieden. (Ja, das stimmt so, es heißt nämlich „Auf der Wieden“, wenn man ganz korrekt sein will, und beim ersten IMMO GLAS-Artikel wollen wir das sein).
Von der Südbahn zur Ostbahn
Erst mit der Errichtung der U-Bahn-Linie U1, von manchen Menschen damals verächtlich „Proletenschlauch“ genannt, begannen ab Ende der 1970er Jahre die Stadt und ihre Menschen mehr und enger zusammenzuwachsen.
In dieser Zeit war es auch, dass ein junger Musiker namens Willi Resetarits seine ersten großen Erfolge feierte. Nicht ganz unpassend, weil der Favoritner, geboren in Stinatz/Stinjaki, sich doch selbst auf den Weg gemacht hatte, mit seinem Schaffen das Verbindende vor das Trennende zu stellen. Viele Jahre lang ist die U1 gewachsen und hat mehr Menschen verbunden. Ebenso der Willi, der sich über die Zeit auch weiterentwickelt hat und inzwischen genauso wie die U-Bahn nicht mehr aus der Stadt und ihrer Geschichte wegzudenken ist.
Man denke hier an die Besetzung des Schlachthofs St. Marx (Resultat dessen war die Entstehung der Arena Wien), das Lichtermeer sowie das Integrationshaus und seinen jährlichen Ball im Wiener Rathaus; und zu guter Letzt natürlich seinen umfangreichen Katalog an Musik. Sei es mit den Schmetterlingen, als Dr. Kurt Ostbahn und die Chefpartie, (hmm, OstBAHN, U-BAHN, SüdBAHN. Irgendwie haben wir da im Text ein Muster, jedenfalls…) dem Stubnblues, Basbaritenori und der Arbeit im Quartett; Molden, Resetarits, Soyka, Wirth.
An dieser Stelle möchte Novi Glas eine aufrichtige Beileidsäußerung um den inzwischen ebenso verstorbenen Walter Soyka kundtun.
Mit eben diesen vielen Menschen und Projekten hat der Willi der Stadt, der Republik und der Welt gutgetan.
Aus genau diesen Gründen; seinem Wirken, seinen Bemühungen und seiner Art, ein Mensch zu sein, hat die Stadt Wien nach seinem Ableben (im April 2022) beschlossen, dem damals in Entstehung begriffenen Gemeindebau auf den Namen “Willi-Resetarits-Hof” zu taufen. Einen Hof in Favoriten, gleich bei der U1, vor den Gleisen, die für Wien ein Tor zur Welt und für viele Menschen ein Tor zur Stadt sind; da an der Laxenburgerstraße.


“Irgendwie hot do kana an Namen, und hot ea an, dann is er ned echt!”
– Ostbahn Kurti Anno 1991
Die Benennung von Orten oder eben Wohnhöfen muss kritischer betrachtet werden. Oft finden wir Namensgebungen im öffentlichen Raum, die bei genauerer Betrachtung schwer nachvollziehbar sind. Weil sie etwa keine große Bedeutung haben, oder weil wir nicht erkennen, warum das denn hier jetzt so heißt, ohne genauer recherchieren zu müssen, wie es denn zur Benennung kam – Die Raaber-Bahn-Gasse, (Da!, Da! is schon wieder was mit BAHN!1!!) der Stoß im Himmel oder die Shuttleworthstraße seien als solche Beispiele genannt)
Und manchmal finden wir sogar Orte, die sich jedwedem Anstand der Benennung und eben damit einhergehender Würdigung entziehen. So ein Phänomen gibt es gegenüber des Willi-Resetarits-Hofs zu bestaunen, denn jenseits der Laxenburgerstraße befindet sich der Columbusplatz, benannt nach, eh scho wissen, dem Seefahrer, der die Versklavung und Ausrottung von Millionen Menschen ausgelöst hat, um sich selbst und seinem Ego ein Denkmal zu setzen.
Da Hof spielt olle Stückln!
Nun liegen sie sich gegenüber, der Platz und der Hof, gar wie in einem alten Westernfilm beim Stand off. Ein Film, den der Willi sicher im Bellaria-Kino geschaut hätte. Aber diese Metapher ist wohl ein bisschen zu brutal und auch schlicht falsch, denn beim Standoff ist man auf Augenhöhe. Und davon kann hier nicht die Rede sein. Nicht weil das eine ein Haus ist, das mit hohem Wohnturm in den Himmel ragt und des andere a typisch Wienerisch versiegelter Platz mit Zufahrt zu einer Tiefgarage.
Sondern weil bei Betrachtung des Hofs auffällt, dass es ein Anliegen war, nicht nur den Namen und die damit verbundene Würdigung auszusprechen. Die Kunst am Bau (gestaltet von Johanna Kandl) zeigt diverse Schallplatten mit unterschiedlichen Werken, die der Willi mit den bereits vorher im Text erwähnten Künstler*innen erarbeitet hat. Auf einigen von diesen steht ganz schlicht „Mensch“ in den vielen unterschiedlichen Sprachen des 10. Wiener Gemeindebezirks geschrieben.
Hier zeigt sich, dass es eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Willi und seinem Leben gab und nicht bloß die Entscheidung, ein Namenstaferl aufzustellen. Dieser Umgang mit der Erinnerung an ihn, an sein Werk, und was es den Menschen bedeutet hat, wiegt mehr als ein Platz, der aus unnachvollziehbaren Gründen auf einen Unmenschen getauft wurde.


“Wann de Musik vuabei is”
– Ostbahn Kurti Anno 2002
Ob der Hof architektonischen Ansprüchen genügt, das Fehlen eines Fahnenmastes stört oder man Grün und Natur vermisst, das muss ein jeder Mensch selber wissen, denn diese Art von Schönheit liegt im Auge der Betrachtenden selbst. Besonders hervorzuheben ist die Bücherei der Stadt Wien, die im Erdgeschoß eingerichtet wurde. Sie ist stark besucht und auch umfangreich ausgestattet, allerdings ist im Zuge einer Lokalrecherche der IMMOGLAS-Redaktion aufgefallen, dass es vor Ort ausschließlich einen (in Zahlen: 1) Asterix in Wienerisch-Übersetzung gibt.
Die außerordentlich bemühten Mitarbeiter*innen haben uns allerdings versichert, dass wir mit einem Ansuchen durch ein aufliegendes Formular dazu beitragen können, die Sammlung zu vervollständigen – man muss nämlich wissen, dass die ersten Asterix-Übersetzungen ins Wienerische von Dr. Kurt Ostbahn stammen (also von seinem Erfinder Günther Prödl), inzwischen hat sich Musiker Ernst Molden der ehrwürdigen Übersetzungsaufgabe angenommen.
Wann da Artikel vuabei is, gibt’s nimma vüü zum sogn… außer: Der Stadt war es ein echtes Anliegen, etwas Schönes zu schaffen: die Kunst am Bau, die eingerichtete Bücherei und die symbolische Benennung eines Gemeindebaus in Favoriten. Etwas, an dem wir eine Freude haben bei der Erinnerung an den Willi.
Tekst: Joseph Ćiril Stoisits
Slike: Konstantin Milena Vlasich
