80 Jahre nach dem Massaker an den Familien Sadovnik und Kogoj durch das SS- und Polizeiregiment 13 stürmen am 27.7.2025 teils schwerbewaffnete Polizist:innen den Peršmanhof. Mit sieben Polizeifahrzeugen, einem Polizeihubschrauber, Drohnen und der Polizeihundestaffel bahnen sich die rund 30 Einsatzkräfte einen Weg zur Museums- um Gedenkstätte, um dort eine Hausdurchsuchung im ehemaligen Wohnhaus der Familie Sadovnik vorzunehmen und die Identität der Anwesenden festzustellen. Die Anwesenden: Junge Erwachsene, Teilnehmende des Antifa Camps Kärtnen/Koroška.
Wer? Wo?: Das Antifa Camp und der Peršmanhof
Das Antifa Camp wurde heuer das zweite Mal vom Klub slovenskih študentk*študentov na Dunaju/Klub der slowenischen Studierenden in Wien (KSŠŠD) ausgerichtet. Im April zeichnete es der KZ-Verband mit dem Ernst-Kirchweger-Preis für antifaschistische Jugendbildungsarbeit aus. Das Camp wird von den Betreiber:innen des Museums am Peršmanhof unterstützt. Für die kärntner-slowenischen Veranstalter:innen hat dieser Ort besondere Bedeutung. Als ehemaliger Partisan:innenstützpunkt ist er ein Zeichen des Widerstands der Minderheit gegen den Faschismus, als Gedenkstätte steht er für das kollektive Trauma des Massakers an zwei slowenischen Familien. Heute ist der Hof ein Ort des Gedenkens und der Erinnerung, der konsequenten, wissenschaftlichen Geschichtsaufarbeitung, ein Bildungsort, an dem antifaschistische und demokratische Werte weitergegeben werden.
Vom 24. bis zum 27. Juli wird im Camp vor allem zu den Themen Erinnerungskultur, der aktuellen politischen Lage, dem Rechtsruck in Europa und der Frage nach einer sozialen und ökologischen Zukunft gearbeitet. Die Teilnehmenden können Vorträgen zu feministischen Perspektiven in Rojava lauschen, eine Ausstellung zum weiblichen Widerstand während der NS-Diktatur in Kärnten/Koroška besuchen, in Kleingruppen utopische Visionen diskutieren oder bei Workshops mitmachen, in denen sie lernen, wilde Kräuter zu erkennen, alte Kleidung zu reparieren und ihre Socken zu stopfen. Rund 60 bis 100 Personen aus ganz Europa nehmen heuer am Camp teil.
Wann?: 11:00 Uhr morgens – Die Polizei rückt an
Während in Villach/Beljak der 80. Villacher Kirchtag – für die Dauer der Festtage rechnet man mit rund 450.000 Besucher:innen – eröffnet wird, steht am 27. Juli um 11 Uhr plötzlich die Polizei am Peršmanhof. Im Camp findet gerade ein Vortrag statt, doch die Polizist:innen wollen sogleich mit der Identitätsfeststellung der Campteilnehmer:innen beginnen. Entgegen der Presseaussendung der Polizei, laut welcher »sämtliche anwesenden Personen ihre Verpflichtung verweiger[n], an der Identitätsfeststellung mitzuwirken“[1], berichten Anwesende, dass die Veranstalter:innen, sobald sie in Kontakt mit den Polizist:innen standen, sich bereitwillig ausweisen. Doch die Polizei möchte die Identität aller Camper:innen aufnehmen und fordert „vorsorglich“[2] Unterstützung an. Es kommen: drei Streifen des Bezirkspolizeikommandos Völkermarkt/Velikovec gemeinsam mit Vertreter:innen der Bezirkshauptmannschaft (BH) Völkermarkt/Velikovec sowie dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl – mit Hunden, Helikopter und in schwerer Montur.[3] Die Teilnehmenden haben Angst, einige weinen und umarmen einander.[4] Drei Personen wollen sich nicht ausweisen – sie werden verhaftet. Während eine Person daraufhin identifiziert und freigelassen wird, werden die anderen zwei Verhafteten auf die Polizeiinspektion Bad Eisenkappel/Železna Kapla gebracht. Erschreckt versteckt sich ein Teil der Camper:innen im Museum. Die Polizei versucht, sich Zugang zur Gedenkstätte zu verschaffen. Als die Einsatzkräfte die Tür öffnen, verletzen sie eine Person leicht. Sie wird später von der Rettung ambulant versorgt.

Zur Hausduchsuchung meint der Anwalt Rudi Vouk: »[H]eute kommen sie mit Polizeihunden und wollen in dieses Museum einbrechen, um dort nach irgendwelchen mutmaßlichen Extremisten zu suchen!«
Wessen?: Befehl
Den Befehl für die Aktion will niemand gegeben haben. Der Völkermarkter Bezirkshauptmann Gert-Andre Klösch sei nur um Unterstützung gebeten worden, da Gerichtsprozesse zu erwarten sind, die dann in Völkermarkt/Velikovec ablaufen würden. Klösch war aber anwesend. [5] Es handelt sich hierbei um ebenjenen Behördenleiter, der über Jahre das Ustaša-Treffen in Bleiburg/Pliberk ermöglichte[6] und beim „Mladinski Akcijski Dan – MAD“ (Jugendaktionstag), bei welchem Studierende und Jugendliche anlässlich des 50. Jahrestages des Ortstafelsturms an Orten, an denen zweisprachige Ortstafeln stehen sollten, Kunstaktionen und eine Informationskampagne durchführten, den Aktionsbus während der Rede von Polizist:innen einkeilen ließ.
Vouk berichtet, dass der Einsatzleiter Gerold Taschek vom Landesamt für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung auf eine juristische Befragung vorbereitet gewesen sei. Er hätte ausgedruckte Dokumente bei sich gehabt und eine Begründung dafür parat, warum die Polizei so vorgehen dürfe, wie sie es tat. Vouk meint: »Meiner Meinung nach war das eine von langer Hand geplante Aktion, mit dem Ziel Jugendliche, die das antifaschistische Gedenken kultivieren, einzuschüchtern.« [7] Wer das »Mastermind« der Polizeirazzia war, gelte es durch eine parlamentarische Anfrage an das Innenministerium herauszufinden, so Vouk.[8]
Warum?: Eine »sittenwidrige« Veranstaltung?
Begründet wird dieses polizeiliche Großaufgebot wegen des »Verdachts von verschiedenen Verwaltungsübertretungen«[9]. Den Veranstaltenden wird mitgeteilt, dass es sich hierbei um mutmaßliche Übertretungen in den Bereichen des Campinggesetzes und Naturschutzes handle (Sprich: Zelte möglicherweise falsch aufgestellt).[10] Argumentiert wird auch, dass unter dem Namen »Antifa« europaweit eine Organisation bekannt ist, zu welcher auch teilweise gewaltbereite, extremistische Personen zählen. Für die Anwesenheit dieser auf dem Antifa Camp gab es jedoch keinerlei konkrete Indizien, meint Vouk.[11]
Weiters soll die Aktion laut Einsatzleiter Taschek damit gerechtfertigt werden, dass ein antifaschistisches Bildungscamp einen sittenwidrigen Umgang mit der Gedenkstätte darstelle[12]. Eine sittenwenwidrige Veranstaltung also, welche vom Museum/Muzej Peršman unterstützt und bei welcher Nachkommen von in Deportations- und Konzentrationslager deportierten und ermordeten Kärntner Slowen:innen und Widerstandkämpfer:innen als Vortragende und Teilnehmer:innen mitwirken. Die Ereignisse vom 27. Juli stellen eine Retraumatisierung der anwesenden Kärntner Slowen:innen und Nachkommen dar, so eine der Organisatorinnen[13].
Der Nachfahre der Familie Sadovnik und Vorsitzender des slowenischen Volksgruppenbeirates, Bernard Sadovnik, meint: “Als Nachfahre der Peršman-Familie und als Vertreter der slowenischen Volksgruppe bin ich zutiefst erschüttert darüber, was heute am Peršmanhof passiert ist. So ein massiver Polizeieinsatz genau 80 Jahre nach dem Massaker reißt bei mir als Nachkomme Wunden auf. Ich bin ohne Worte und von den Gesprächen mit den jungen Menschen vor Ort zutiefst betroffen. Der Polizeieinsatz stand in keiner Relation mit den Vorwürfen. Ich fordere eine sofortige lückenlose politische Aufarbeitung dieses skandalösen Vorfalls und seiner Hintergründe.”
Wie?: »Die Polizei darf vieles, aber sie darf nicht alles.«
Der Anwalt Rudi Vouk beurteilt die Begründungsversuche der Polizei: „Das sind an den Haaren herbeigezogene Argumente. […] Das ist ein Schlag ins Gesicht aller, die sich für ein antifaschistisches Gedenken einsetzen.“
Die Ausmaße des Einsatzes sind für Vouk weder gerechtfertigt noch verständlich. Vouk meint, dass eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs gegen die Polizist:innen einzubringen sei. Das geht zu weit,« betont Vouk. »Die Polizei darf vieles, aber sie darf nicht alles. Sie darf das antifaschistische Fundament unseres Landes nicht mit Füßen treten. Aber genau das ist heute geschehen.“
Die Polizei stationiert sich auch unten in Leppen/Lepena und fordert die Menschen, die vom Peršman herunterfahren, dazu auf, sich auszuweisen. Als der Sekretär des Verbands der Kärntner Partisanen/Zveza koroških partizanov Nikolaj Orasche angehalten wird, will er einen zweisprachigen Vorgang in Anspruch nehmen. Schließlich ist Eisenkappel/Železna Kapla eine zweisprachige Gemeinde und so hat man beispielsweise auf Ämtern und vor Gericht das Recht auf die slowenische Sprache. Die Polizei behauptet, dass niemand von ihnen des Slowenischen mächtig wäre, sie erwidern, dass Orasche doch sowieso deutsch spreche. Orasche beharrt darauf und fordert die Polizist:innen dazu auf, ihm ihre Dienstnummern zu sagen. Dazu ist die Polizei laut österreichischem Recht verpflichtet. Sie weigern sich und Orasche fährt mit seinem Auto weg. Die Polizei folgt ihm, er wird aufgehalten, aus seinem Auto gezerrt und arettiert.
Der Einsatz der Polizei dauert bis 15:30 – viereinhalb Stunden.

Was nun?: Reaktionen und Folgen
Es folgt die Reaktion der Medien, angesiedelt zwischen der Kopie des Polizeiberichts und Reportagen vor Ort. Auch die Politik reagiert. Die Volksgruppensprecherin der Grünen, Olga Voglauer, und Lukas Hammer, Sprecher der Grünen für Gedenkpolitik und Rechtsextremismus, verurteilen den »unverhältnismäßigen Polizeieinsatz«[14] und fordern »eine umfassende Aufklärung durch das Innenministerium sowie politische Verantwortung auf Landesebene und Bezirkshauptmannschaft«[15]. Auch Team Kärnten-Chef Gerhard Köfer und der TK-Volksgruppensprecher im Landtag, Franz Josef Smrtnik, sprechen sich für die Aufarbeitung und Aufklärung der Ereignisse aus[16]. Smrtnik betont die Notwendigkeit Fragen rund um »Verhältnismäßigkeit, beginnend vom Verwaltungsaufwand bis hin zu den Kosten der Amtshandlung«[17] zu klären. Auch die KPÖ Kärnten/Koroška verurteilt das Vorgehen der Polizei vehement. In einer Aussage schreibt deren Landesleitung: „Der polizeiliche Übergriff gegen den Peršmanhof ist unter diesem Gesichtspunkt ein Racheakt der Hüter der erinnerungspolitischen Kärntner Nacht.“[18]
Ohne die Details der Lage zu kennen, will Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) alle Beteiligten zu einem Gespräch einladen. Inwieweit ein Gespräch der schwerbewaffneten Exekutive eines Bundeslandes mit den durch die Ereignisse verstörten Organisator:innen und Besucher:innen eines Sommercamps zielführend ist, bleibt offen.
Polizist:innen und Teilnehmer:innen werden sich wohl auch ohne Landeshauptmann wiedersehen, schließlich sind im Nachgang der Razzia diverse Anzeigen gegen die Teilnehmenden und Organisator:innen ergangen. Auch das Antifa Camp prüft rechtliche Schritte aufgrund polizeilichen Fehlverhaltens. Der Anwalt Rudi Vouk hat sich bereiterklärt, die betroffenen Camper:innen zu vertreten.
Von der Razzia bleibt: Eine verängstigte Jugend, eine retraumatisierte Volksgruppe, eine verwüstete Gedenkstätte.
Addendum: Neben weiteren politischen Meldungen (etwa des SPÖ-Vizekanzlers Andreas Babler) hat sich die Republik Slowenien in einem Video-Statement gemeldet und erwartet von den zuständigen österreichischen Behörden eine transparente Untersuchung der Ereignisse und eine glaubwürdige und umfassende Aufklärung der Polizeiaktion. Indes rufen am Tag nach der Razzia die Kärntner-slowenischen Organisator:innen des Camps zur solidarischen Teilnahme am Abschlussvortrag auf. Es scheint, für Einschüchterung gibt es im Slowenischen keine passende Übersetzung.
Text: Ana Grilc
Fotos: Damijan Smrečnik/Novice
Update: 29.7. – hrvatski prijevod
Update: 28.7. – 16:50 Meldung der slowenischen Regierung
Update: 28.7. – 10:40 – Details der Szene in Leppen/Lepena
Quellen
[1] https://www.polizei.gv.at/ktn/presse/aussendungen/presse.aspx?prid=5977726A4231516A6E36303D&pro=0
[2] Ebd.
[3] https://www.polizei.gv.at/ktn/presse/aussendungen/presse.aspx?prid=5977726A4231516A6E36303D&pro=0
[4] https://www.novice.at/v-zariscu/policijska-racija-pri-persmanovi-domaciji/
[5] https://volksgruppen.orf.at/slovenci/stories/3315298/
[6] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20250124_OTS0064/gruene-hinschauen-wo-andere-wegschauen-rechtsextremismus-bericht-nach-ueber-20-jahren-wiedereingefuehrt
[7] https://volksgruppen.orf.at/slovenci/stories/3315298/
[8] Ebd.
[9] https://www.polizei.gv.at/ktn/presse/aussendungen/presse.aspx?prid=5977726A4231516A6E36303D&pro=0
[10] https://www.persman.at/de/presseaussendung-des-drustvo-verein-persman-zum-polizeieinsatz-an-der-gedenkstaette-und-im-museum-persman-27-07-2025-2/
[11] https://volksgruppen.orf.at/slovenci/stories/3315298/
[12] https://www.persman.at/de/presseaussendung-des-drustvo-verein-persman-zum-polizeieinsatz-an-der-gedenkstaette-und-im-museum-persman-27-07-2025-2/
[13] https://www.persman.at/de/presseaussendung-des-drustvo-verein-persman-zum-polizeieinsatz-an-der-gedenkstaette-und-im-museum-persman-27-07-2025-2/
[14] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20250727_OTS0009/voglauerhammer-unverhaeltnismaessiger-polizeieinsatz-am-permanhof-ist-nicht-hinzunehmen
[15] Ebd.
[16] https://kaernten.orf.at/stories/3315292/
[17] Ebd.
[18] https://kaernten.kpoe.at/2025/07/kpoe-kaernten-koroska-protest-gegen-polizeirazzia-auf-dem-persmanhof/
