Die deutsche Regisseurin Katrin Schlösser hat einen Film über männliche Lebensrealitäten im südlichen Burgenland gedreht. Als Wahl-Burgenländerin deren erster Film “Szenen aus meiner Ehe” 2019 auch schon in der Region zustandekam, wollte sie die Menschen und ihr Leben südlich der Raab näher porträtieren. Novi Glas hat Schlössers neuen Film “Besuch im Bubenland” rezensiert und zusätzlich die Regisseurin zu einem Gespräch eingeladen.
NOVI GLAS: Frau Schlösser, wieso haben Sie sich dazu entschieden, über burgenländische Männer einen Film zu drehen?
Katrin Schlösser: Ich habe fünf Jahre im Südburgenland gelebt. In der Zeit fiel mir immer wieder auf, dass es viele Orte gibt, an denen sich Männer unter Männern begegnen. Nach meinem ersten Film „Szenen meiner Ehe“ wollte ich hier südlich der Raab mein Forschungsgebiet erweitern, von meinem Mann auf andere Männer schauen, mit der Frage: Was ist dran an dem Vorurteil, dass sich Männer nicht zeigen?
NG: Welches Abbild wird in dem Film von der Region und den Menschen produziert?
Darf ich mit einer Gegenfrage antworten: Welches Abbild der Region entsteht in dir? Ich mag die Nähe zu Slowenien und Ungarn. Ich suchte Männer auf, deren Familien über Generationen hier ansässig sind. Es war eine sehr arme Region, einige der Protagonisten sind über Jahrzehnte an Arbeitsorte außerhalb ihres Wohnortes gependelt, waren Nebenerwerbsbauern und sahen sich vor allem in der Rolle als Versorger ihrer Familien.
NG: Haben Sie in dieser Grenzregion auch mit anderen Nationalitäten oder Minderheiten zu tun gehabt – und wenn ja: Haben Sie in Erwägung gezogen, diese auch mit einzubeziehen?
Ja. Darinka, die Frau, der wir am Ende des Filmes begegnen, ist gebürtige Slowenin. Sie lebt mit ihrem Mann Johann nur wenige Meter von der slowenischen Grenze entfernt. Die beiden begegneten einander vor vielen Jahrzehnten bei der Rübenernte. Johann pendelte 40 Jahre lang als Betonierer nach Wien, Darinka blieb unter der Woche mit den Kindern auf dem Hof der Schwiegereltern und arbeitete in der Landwirtschaft der Familie. Ihr Schwiegervater sprach zwar Slowenisch, verweigerte im Umgang mit ihr jedoch den Gebrauch ihrer Muttersprache, um deren Integration zu fördern.

NG: Wie haben Sie das Südburgenland wahrgenommen – auch, weil es Künstler:innen anzuziehen scheint?
Als ich ins Südburgenland kam, sah ich mich nicht als Künstlerin, sondern als Filmproduzentin und Hochschulprofessorin. Erst meine erste eigene Regiearbeit, „Szenen meiner Ehe“, die ich vor allem im Südburgenland erstellte, haben in mir eine Ahnung eines Künstlerinnentums entstehen lassen – ein Bild, das erst jetzt mit meiner zweiten Arbeit von außen an mich herangetragen wurde.
NG: Der Vater ist eine zentrale Figur im Film, Sie haben Ihren Vater auch in einem Interview erwähnt. Haben Sie sich in den Geschichten über die Väter der Darsteller wiedergefunden?
Ja und nein. Mich hat interessiert, wie die Männer, die zum Teil auch Väter sind, ihre Beziehung zu ihren Kindern, Eltern und Partner:innen leben und reflektieren. Welche Emotionen und Gedanken für sie damit verbunden sind.
NG: Wieso haben Sie sich entschieden, diesen bestimmten Filmstil, direkt hinter der Kamera, zu verwenden?
Ich habe keine Ausbildung als Kamerafrau. Das Smartphone mit seiner eingebauten Kamera ist für mich ein geeignetes, einfach zu handhabendes Produktionsmittel. Ich mag auch die Beschränkung durch die Festbrennweiten der eingebauten Objektive. Ich arbeite gern mit dem Weitwinkel, das mir die Möglichkeit bietet, Protagonisten in ihrer Umgebung zu zeigen. Ich zoome nicht an meine Protagonisten heran, sondern gehe auf sie zu, wenn ich sie nah ins Bild setzen möchte.
NG: Welche Eindrücke konnten Sie bei Publikumsaufführungen des Filmes mitnehmen?
Im Publikum sieht jede:r etwas anderes: Die einen tauchen in die ländliche Welt ein, die anderen setzen sich mit dem Patriarchat auseinander. Ein Mann schrieb mir, dass – nachdem das Licht im Kino wieder anging – alle Leute sitzen blieben und sich unter Fremden eine Diskussion entspann, wie er sie noch nie erlebt hatte. Das freute mich: Ich wünsche mir, dass Kino noch mehr zu einem Ort der Begegnung wird!
NG: Sie haben lange im Bezirk Jennersdorf gelebt – was bedeutet dieser Film nun für Sie?
Der Film führt jetzt schon sein eigenes Leben, aber ich werde auch ohne ihn immer wieder gern in die Region südlich der Raab zurückkehren, in der ich lernte, unvoreingenommen auf Männer zuzugehen. Ich weiß nun, dass unter männlichen und weiblichen Eigenschaften Zuschreibungen bestehen, über Generationen eingeübte Verhaltensweisen, die wir neu denken und verändern können.
Zur Person:
In Leipzig geboren, hat Katrin Schlösser zuerst eine Ausbildung zur Maschinenbauerin und später ein Studium zur Film- und Fernsehwirtschaftlerin absolviert. 1990 gründete sie mit Frank Löprich die öFilm Produktionsfirma, unter der zahlreiche Spiel- und Dokumentarfilme erschienen sind. Sie war lange Jahre als Professorin für kreative Film- und Fernsehproduktion an der Kunsthochschule für Medien in Köln tätig. Heute arbeitet sie als Development-Produzentin und Dramaturgin und seit ihrem ersten Film im Jahr 2019 auch als Regisseurin.
Der Film “Besuch im Bubenland” ist am 20. Juni im Rahmen der Dieselkino-Tour und in Kooperation mit dem Diagonale.Festival des österreichischen Films in allen österreichischen Dieselkinos zu sehen.