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SPÖ-Vorsitz in Volksgruppenfragen

Haben Rendi-Wagner, Doskozil und Babler eine Vision für die Volksgruppen in Österreich?

Die SPÖ hatte in ihrer Geschichte eine ambivalente Rolle für Volksgruppen und ihre Rechte, besonders in Kärnten, dem Burgenland und Wien. Haben Pamela Rendi-Wagner, Hans-Peter Doskozil und Andreas Babler eine Vision für die Rechte der Volksgruppen in Österreich? NOVI GLAS hat bei allen drei Vorsitz-Kandidaten nachgefragt und veröffentlicht zusätzlich die Antworten in voller Länge.

Zweisprachige Bildung und Wiener Schulfrage

Die Rechte der meisten Volksgruppen sind an ein als autochthon anerkanntes Siedlungsgebiet geknüpft. Obwohl viele Burgenlandkroat:innen seit Jahrzehnten in Wien leben, gelten dort ihre Rechte nicht. Auch Studien belegen die starke Migration von Volksgruppenangehörigen in urbane Zentren, trotzdem wurde an diesem territorialen Prinzip etwa im Bildungsbereich noch nicht gerüttelt.

Für Parteichefin Pamela Rendi-Wagner gehe die territoriale Einschränkung im mehrsprachigen Bildungswesen auf den Beginn des 19. Jahrhunderts zurück – das solle an die heutige Situation angepasst werden. Eine Lösung wäre ihrer Ansicht nach die Erweiterung des Rechts auf zweisprachigen Unterricht über die territoriale Begrenzung hinaus. “Bei Vorliegen von genügend Schüler*innen sollte daher auch in Wien, bzw. im gesamten Bundesgebiet das Recht auf Bildung in der Volksgruppensprache normiert werden”, so Rendi-Wagner gegenüber NOVI GLAS. Die Forderung nach einer zweisprachigen kroatischen Schule in Wien findet Rendi-Wagner unterstützenswert, wobei dabei nicht in den ursprünglichen Gebieten der Volksgruppen gekürzt werden dürfe.

Bürgermeister Andreas Babler streicht die Komensky-Schule in Wien, mit ihrem tschechischen und slowakischen Schwerpunkt hervor. “An diese Traditionen anzuknüpfen und bilinguale Bildungseinrichtungen zu fördern, sollte ein zentrales Thema der Volksgruppenpolitik des Bundes sein”, so Bürgermeister Babler gegenüber NOVI GLAS.

Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil möchte grundsätzlich festhalten, dass die Volksgruppenrechte in Österreich und speziell im Burgenland nicht nur “marginal” sondern wie in der Bundesverfassung vorgesehen eingehalten würden. Bei der Verbesserung der Sprachkenntnisse gebe es Luft nach oben – dabei streicht Doskozil Projekte wie das Kulturzentrum Kuga in Großwarasdorf oder das geplante Volksgruppenhaus in Oberwart hervor. Sprechen der Muttersprache in Familien sei zwar die Grundlage, aber man müsse alle Lebensbereiche berücksichtigen. “Kultur und Bildung sind keine Sektoren, die am freien Markt bestehen können und sollen,” antwortet Doskozil.

Auf die Frage nach einer Kroatischen Schule in Wien antwortete Doskozil eher ausweichend, dass Mehrsprachigkeit in der Bildungslandschaft grundsätzlich eine Bereicherung sei und verwies auf das Mehrsprachige Gymnasium im südburgenländischen Oberwart, das ein Meilenstein zum Erhalt der Volksgruppensprachen sei.

Vorsitzende der Bundes-SPÖ Pamela Rendi-Wagner kann sich Unterricht in Volksgruppensprachen im ganzen Bundesgebiet vorstellen

Reform der Volksgruppenvertretung?

Der Europarat ermahnt Österreich in mehreren seiner Berichte zur Charta der Regional- und Minderheitensprachen, das Volksgruppengesetz zu novellieren. Zurzeit hat jede der sechs anerkannten Volksgruppen ein vom Bundeskanzleramt ernanntes Gremium, den jeweiligen Volksgruppenbeirat. Immer wieder gibt es Kritik, etwa an der Intransparenz und teilweise politischer Besetzung dieser Beiräte. Würden die Kandidaten zum SP-Vorsitz die Vertretung der Volksgruppen neu aufstellen? 

“Aus meiner Sicht sollten die Grundzüge der derzeit geltenden Regelung beibehalten werden – allerdings mit einer stärkeren Ausstattung der Volksgruppenbeiräte in Bezug auf die Vertretung der Volksgruppe”, so die Antwort von Pamela Rendi-Wagner. Zusätzlich könne sie sich eine Aufwertung der Rolle der Beiratsvorsitzenden und deren Stellvertreter:innen vorstellen, etwa mit gesetzlich verankerten Anhörungsrechten. Keinesfalls sollten Reformen darin münden, dass neue, abgespaltene Gremien geschaffen würden, so Pamela Rendi-Wagner.

Für Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil sei das Prozedere der Ernennung von Beiräten derzeit im Volksgruppengesetz eindeutig geregelt. “Es muss garantiert werden, dass die volle gesellschaftliche, politische und konfessionelle Breite der Organisationen im Volksgruppenbereich entsprechend vertreten sind.”

Auf Kritik seitens des Europarats bei der Einhaltung der Volksgruppenrechte, sieht Andreas Babler Handlungsbedarf vor allem bei den Rechten auf Nutzung der Volksgruppensprachen in Verwaltung und Justiz. “Es muss selbstverständlich sein, Formulare mehrsprachig anzubieten bzw. die Volksgruppensprachen tatsächlich als Amtssprachen nutzen zu können.” Bei einer allfälligen Reform des Volksgruppengesetzes verweist Babler auf einen breiten Dialog, der innerhalb und mit den Volksgruppen geführt werden müsse.

Kontrahent um den Parteivorsitz: Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil sieht Volksgruppenrechte wie in der Verfassung vorgesehen eingehalten

Ist Österreich mehrsprachig?

Kinder und Jugendliche stoßen oft auf Ablehnung oder Hass, wenn sie weniger prestigeträchtige Sprachen in der Öffentlichkeit sprechen. Wie schätzen die Kandidaten den Umgang Österreichs mit Sprachen ein? 

Bürgermeister Andreas Babler sagt gegenüber NG: “Das von der FPÖ – und in den letzten Jahren leider auch von der ÖVP – geschürte Klima der Spaltung und Ausgrenzung führt zu einer zunehmenden Ablehnung und Ignoranz gegenüber dem Wert der Mehrsprachigkeit.” Das gelte für Volksgruppensprachen ebenso wie für Sprachen von Migrant:innen der zweiten und dritten Generation. Ein weiteres Babler-Zitat: “Als Sozialdemokratie erachten wir die Mehrsprachigkeit und die Förderung sprachlich-kultureller Vielfalt als wesentliche Stärkung für Österreich.”

Pamela Rendi-Wagner hält in ihrer Antwort fest: “Mehrsprachigkeit hat in Österreich und in der österreichischen Gesellschaft noch immer nicht den Stellenwert, der ihr zukommen sollte.” Die österreichische Politik müsse daher mehr unternehmen, um Doppel- und Mehrsprachigkeit, auch abseits der traditionellen Fächer, als Chance darzustellen, so Rendi-Wagner.

Landeshauptmann Doskozil antwortet, es gebe es in Österreich neben Deutsch drei weitere Amtssprachen – Slowenisch, Kroatisch und Ungarisch. Darüber würden in Österreich über 100 Sprachen gesprochen. Doskozil antwortet: “JA, Österreich ist ein mehrsprachiges Land und das ist gut so! Initiativen, die es Kindern verbieten, am Pausenhof in ihrer Muttersprache zu kommunizieren finde ich beschämend!” Sprache sei aber nicht nur eine identitätsstiftende Fähigkeit, sie sei das wesentliche Instrument zur Integration, so Doskozil.

Dritter Kandidat in der SPÖ-Mitgliederbefragung: Bürgermeister Andreas Babler sieht Versäumnisse bei mehrsprachigen Formularen

Antworten in voller Länge

Rundruf: K. Vlasich, M. Zvonarits
Titelbild: Montage, NG

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