Von lyrischen Grenzüberwindungen

„Überwinden wir Grenzen“ ist mehrsprachig erschienen – die Original burgenlandkroatischen Gedichte sind ins Deutsche und dann auch noch ins Englische übersetzt worden. Das Buch enthält zu einem gewissen Grad zeitgenössische Dichtung aus „der alten kroatischen Diaspora“. Welche das ist ist? Wir in und rund ums Burgenland, aber auch die Molise-Kroat:innen in Italien, Kroat:innen aus Mähren und vielleicht der eine oder andere Dichter aus Übersee.

Strukturelle Benachteiligung

Die Sammlung wird von der Autor:innenvereinigung PEN herausgegeben, die sich laut ihrem Präsidenten Helmuth Niederle zum 100-jährigen Bestehen besonders der Literatur Österreichs widmen will, die nicht auf Deutsch verfasst ist. Das kann als ein aufrichtiges Bekenntnis gewertet werden.

Aber selbst Niederle weiß, dass das nicht immer so war. Im Vorwort schreibt er, statt den Reichtum zu nutzen, seien die Literaturen der kleineren Volksgruppen in Österreich eher ignoriert worden. Die strukturelle Benachteiligung der Minderheiten würde man auch daran erkennen, wer in Österreich Preise und Stipendien erhält und wer nicht. Letztlich würde deswegen auch das Verständnis und das Wissen um Generationen von Literat:innen fehlen, so Niederle.

“Müsste uns nicht bewusstwerden, dass die Menschen, die Kroatisch sprechen, mehr Aufmerksamkeit verdienen, als das gesetzeskonforme Aufstellen zweisprachiger Ortstafeln?”

Helmuth A. Niederle, PEN

Was und wer gesammelt wurde

Die Sammlung wurde zusammengestellt von Journalist Peter Tyran und Herausgeber Herbert Kuhner, der bei der Präsentation den großartigen Sprecher der englischen Übersetzung gab. Sie haben Gedichte von 24 Autor:innen ausgewählt – darunter etwa Anton Leopold, Jurica Csenar, Ana Schoretits oder zum Beispiel Petar Tažky (SK) oder Agostina Piccoli (I). Bei der Präsentation im Kroatischen Zentrum in Wien haben sich alle Autor:innen bis auf einen, der persönliche Befindlichkeiten zwischen die Gedichte streute, an die Dramaturgie gehalten. Das Konzept sah vor, dass zwei kroatische Gedichte gelesen werden, dann gibt es eine deutsche Übersetzung und eine englische. Dadurch dass möglichst viele Autor:innen selber ihre Texte lasen, war die Abfolge interessant, wenn auch um einen Tick zu lang. Manche der Texte haben die Musiker Tome Jankovič und Martin Wagner musikalisch gestützt.

Schwach bei der Jugend

Ich meine, dass sich auch einige jüngere Autor:innen verdient hätten, in dieser Sammlung vertreten zu sein. Bei der Präsentation waren sie zwar eingeladen, die Texte der älteren Generation vorzulesen, aber alle Autor:innen der Sammlung sind in den 1960ern geboren – oder früher. Der Schwerpunkt liegt eindeutig in den 1950er und 60er Jahren, das schadet auch der thematischen Breite.

Eine einzige Autorin, Romana Schweiger-Domnanovich, ist 1985 geboren und mit dem nostalgischen „Pivo 12“ vertreten. Ein bisschen mehr Bemühen, junge Schriftsteller:innen vorzustellen, wäre durchaus angebracht. Hätte man die Texte junger sudburgenländischer Autor:innen veröffentlicht, hätte man gleich zwei Fliegen mit einer Klače geschlagen. Denn obwohl laut Präsentation auf geografische Balance geachtet worden sei, fehlen die Bgld-Kroat:innen aus dem Süden.

Das Resümee?

Besorgt euch das Buch, auch weil es zeigt, wie wichtig mehrsprachige Arbeit und Übersetzertum ist. Und Gedichte von Dorothea Zeichmann, Viliam Pokorny (SK) oder Ewald Höld auf Englisch zu lesen, hat einen eigenen Zauber.