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Die unvoll-ständige Konferenz der Volksgruppen

Eine umfassende NG-Recherche. Foto: Margita Jonas

Um Volksgruppen mehr Verhör zu verschaffen, haben die derzeitigen Vorsitzenden aller sechs Volksgruppenbeiräte beschlossen, einen gemeinsamen Verein zu gründen. Die einen sehen darin eine formalisierte Zusammenarbeit, andere sprechen dem Verein seine Legitimation ab und orten Gefahr des Missbrauchs. Eine Recherche zur nicht ganz vollständigen Konferenz der Volksgruppenbeiratsvorsitzenden. Die Recherche beruht auf Interviews mit 11 Vertreter:innen der Minderheiten.

Alle sechs autochthonen österreichischen Volksgruppen haben einen sogenannten Volksgruppenbeirat. Die Beiräte sind unterschiedlich groß, aber alle Mitglieder werden vom Bundeskanzler auf Vorschlag aus den Minderheiten ernannt. Die Beiräte wiederum haben jeweils einen Vorsitzenden und Vorsitz-Stellvertreter. Seit über zwei Jahrzehnten haben sich die Vorsitzenden Volksgruppen-übergreifend ausgetauscht und beizeiten gemeinsame Forderungen aufgestellt.

Ideologische Spielchen

Ruft man den derzeitigen Vorsitzenden des Beirates für die slowenische Volksgruppe an, so ist dieser, Bernard Sadovnik, das erste Mal mit offener Kritik an diesem Verein konfrontiert. Er ist der stellvertretende Vorsitzende der sogenannten “Ständigen Konferenz der Vorsitzenden der Beiräte der autochthonen Volksgruppen in Österreich”. Klingt sehr offiziell, der Titel. Es hätte nämlich nicht ewig weitergehen können, dass man als Gasthaustruppe gegenüber der Regierung auftrete, so Sadovnik.

Dass eine von drei kärntnerslowenischen Vertretungsorganisationen die Idee dieser Konferenz absolut ablehnt, wurde gegenüber seiner Person nicht kommuniziert. “Ich bin zu lange in der Volksgruppenpolitik, um zu wissen, wenn wir nicht gemeinsam auftreten, werden wir noch weniger gehört”, so Sadovnik gegenüber NOVI GLAS. Ideologische Spielchen seien für ihn fehl am Platze.

Bernard Sadovnik, SKS

Als Bürgermeister von Globasnitz/Globasnica könnte man Sadovnik zu einer Fraktion der Realpolitiker zählen. Ihn stört es, wenn es einstimmge Beschlüsse im Volksgruppenbeirat gibt, die dann in einer Schublade landen. Er sei nicht bereit, x-mal nach Wien zu fahren, wenn man nicht an diesen Beschlüssen nachhaltig weiterarbeiten könne. Sadovnik gehört innerhalb der Volksgruppe zur SKS, Skupnost koroških Slovencev in Slovenk, übersetzt: die Gemeinschaft der Kärntner Slowen:innen, die zu einer von drei großen Vertretungsorganisationen zählt. Kritiker werfen ihr vor, über den Dingen stehen zu wollen. Sadovnik selbst bleibt bei dem Wording, dass die Volksgruppen bislang ideologische Grabenkämpfe behindert hätten.

Die völlige Ablehnung

“Wir stehen der Konferenz nicht skeptisch gegenüber, wir lehnen sie absolut ab,” formuliert es Nanti Olip vom Rat der Kärntner Slowen:innen, NSKS. Die Kritik kommt nicht von ungefähr und sie ist auch nicht neu. Die Diskussion rund um diese Konferenz ist über 30 Jahre alt. Angefangen in den 90ern mit Peter Kostelka und Andreas Khol, rund um die “Ortstafellösung” von Josef Ostermayer hätte es erneut die Idee gegeben, diese Konferenz gesetzlich festzuschreiben.

Olip sieht es so, dass mit einem solchen Gremium Volksgruppenpolitik verstaatlicht würde. “Der Staat wählt sich seine Gesprächspartner in Form des Volksgruppenbeirates und obendrauf gibt es einen weiteren auserwählten Kreis, von dem nicht zu erwarten ist, dass da noch Kritik ans Tageslicht kommt”, so Olip. Als es 2011 wiederum den Vorschlag von Josef Ostermayer gab, hätte es dutzende Rückmeldungen gegeben, die auf die fehlende Legitimation einer solchen Konferenz hingewiesen hätten – von der Rektorenkonferenz abwärts.

Im wesentlichem entspricht er nämlich einem längere Zeit schubladisierten Entwurf, mit dem schon 1996 versucht wurde, die Volksgruppenbeiräte im Sinne einer leichteren Lenkbarkeit zu „reformieren“ und das Forum der Beiräte, damals „Vorsitzendenkonferenz“ genannt, zu installieren.

Hubert Mikel, Quelle aus dem Jahr 2012

Selbst wenn die Konferenz in ihrer angedachten Form nur ein Verein wird, könnte sie problematisch werden für das Funktionieren der Volksgruppenpolitik in Kärnten. Die drei slowenischen Dachorganisationen in Kärnten und die vierte in der Steiermark haben sich auf ein Rotationsprinzip der Vorsitzenden im Beirat geeinigt. Jedes Jahr wechseln Vorsitzende:r und Stellvertreter:in, bis die Periode der vier Jahre durch ist. Doch in der sogenannten “Konferenz” ist diese Rotation nicht vorgesehen. Die Funktionäre sind bereits auf vier Jahre gewählt. “Somit ist das Rotationsprinzip, auf das wir uns nach 20 Jahren Alleinherrschaft Marjan Sturm geeinigt haben, hinfällig”, so Olip gegenüber NOVI GLAS.

Nanti Olip, NSKS

Ein Rückzug auf Raten

Ähnliche Dissonanzen treten bei den Burgenlandkroat:innen zutage. Der jetzige Vorsitzende im Beirat der Kroaten, Martin Ivancsics, hatte im Frühjahr breit angekündigt, seine Funktion im Beirat zurückzulegen, Olip dazu: “Vor diesem Rückzug lässt er sich auf vier Jahre an die Spitze der Konferenz wählen? Ich weiß nicht, was ich von diesen Ankündigungen halten soll. Nichts ist schon sehr viel – wenn ich das als nichts bezeichne.”

Martin Ivancsics versteht diese Vorwürfe seiner Funktion gegenüber nicht und gibt sich voll überzeugt von der ständigen Konferenz. “Dieser Verein hängt nicht an meiner Person, sondern er hängt an allen Minderheiten.” Man bräuchte einen gemeinsamen Auftritt für Probleme, die man genau so gemeinsam habe. Gemeinsame Forderungen gebe es etwa im Bildungsbereich, wo man Kindern auch außerhalb des autochthonen Gebietes die Möglichkeit bieten will, die Minderheitensprachen zu lernen. Da würde die Konferenz alle Volksgruppen vertreten, so Ivancsics. Würde man das individuell angehen, würde am Schluss jemand durch die Finger schauen.

Was seinen medial angekündigten Rückzug aus dem Volksgruppenbeirat der Kroaten angeht, meinte Ivancsics, er stünde zu seinem Wort. Er möchte mehr Zeit mit der Familie verbringen. Und im Übrigen möchte er sich nicht aus dem Beirat tragen lassen, er möchte selber rausgehen, so Ivancsics mit einem Lachen gegenüber NOVI GLAS.

Im Mai 2021 noch geeint: Stanko Horvath (rechts) und Martin Ivancsics (mitte-rechts) bei einem Termin in Eisenstadt. Links Emmerich Gärntner-Horvath und Iris Zsoter, beide Pro-Konferenz. Foto: Roma-Service

Ivancsics’ Stellvertreter im Volksgruppenbeirat Stanko Horvath, als HKD-Vorsitzender steht er dem an Mitgliedern größten Verein der Minderheit vor, bedaure die Art, wie sich Ivancsics zurückziehe. “Ich kann mir vorstellen, dass es ihm nutzt, auch wenn er nicht mehr im Beirat sein sollte und von außen die Politik bestimmt,” so Horvath gegenüber NOVI GLAS. Wer sich zurückziehe, solle das umfänglich tun. Horvath fehle an diesem Vorgehen die Korrektheit und Fairness.

Laut kroatischem Rotationsprinzip wäre Horvath im nächsten Jahr Vorsitzender des Beirats. Auf eine Beteiligung in der “Konferenz” würde Horvath verzichten, was diese Konferenz der Vorsitzenden bald unvollständig machen würde. Ivancsics möchte niemandem eine Mitgliedschaft aufdrängen, sollte eine Person nicht vom Gremium überzeugt sein. Wichtig sei, dass Beiräte aller Minderheiten im Verein vertreten seien.

Fehlende Kommunikation als alte und neue Normalität

Hätte es höhere Akzeptanz für diese Gründung geben können? Sowohl Beiräte im kroatischen als auch slowenischen Beirat bemängeln, dass es im Vorfeld der Konstituierung des Vereins keine Information der Mitglieder der Beiräte gegeben habe. Das sei bemerkenswert, da es sich ja um eine “Konferenz” handle, die mit den Beiräten verbunden sei und nur durch sie besetzt würde. Anstelle dass in den Beiräten mehr gearbeitet würde, hätte man so einen Weg gefunden, die Arbeit im Beirat zu desavouieren, sagt einer.

Karl Hanzl, Schriftführer der sogenannten ständigen Konferenz und seit 1998 Vorsitzender des tschechischen Beirats, beschwichtigt gegenüber NOVI GLAS: “Was die Konferenz mitträgt, muss innerhalb jeder Volksgruppe legitimiert sein. Es wird kein Auftreten gegen mehrheitliche Entscheidungen eines Beirats geben, da verhandeln wir lieber nochmal.” Aber das Ziel sei, gemeinsame Meinungen zu präsentieren, die breiter standhalten, sonst würde der Staat die Volksgruppen nie ernstnehmen, so Hanzl.

Karl Hanzl, Komensky Schulverein

Das könnte auch beantworten, wofür dieser Verein einstehen möchte – im Guten wie im Schlechten: Im Sinne des Kanzleramts sei es allemal, dass es einen kleinen Kreis gebe und so müsse man nur mit denen konferieren, um danach zu sagen, man hätte mit allen Minderheiten gesprochen, sagt ein Beiratsmitglied.

Das Vereinskonstrukt versus Doppelgleisigkeit

Etwas pikanter wird die Angelegenheit, wenn man einbezieht, dass es seit 1983 bereits eine Organisation gibt, die sämtliche autochthonen, österreichischen Volksgruppen vereinen will – das Volkgruppenzentrum in der Wiener Teinfaltstraße. Dessen Generalsekretär Hubert Mikel sagt gegenüber NOVI GLAS, dass man darum gebeten habe, dass die sogenannte Konferenz nicht gegründet werde. “Konferenz”-Schriftführer Hanzl meint, im VG-Zentrum seien einzelne Vereine vertreten, aber ein geschlossenes Gremium auf dem Niveau des BKAs, diese Qualität hätten diese Organisationen nicht.

Mikels Kritik setzt da an. Er meint, es ergebe eine schiefe Optik, wenn die Tonangebenden in den Volksgruppenbeiräten auch noch einen eigenen Verein hätten. Mikel hofft dennoch, dass sie positiv wirken können, aber befürchtet, dass die “Konferenz” missbräuchlich verwendet werden könnte. Dass die Vertreter:innen direkt vom BKA ernannt würden, mache sie korrumpierbar, so Mikel. Im Volksgruppenzentrum könne jeder Verein Mitglied werden, wenn das gewollt sei, wenn man halbwegs eine Repräsentanz habe und von Parteien unabhängig sei.

Am 18. November endet die Antragsfrist für die Volksgruppenförderung. Üblicherweise hält sich das Bundeskanzleramt an die Empfehlungen der Beiräte, wenn es um die Vergabe der Gelder geht. An diesem Termin würde die “Ständige Konferenz” noch nicht um solche Gelder ansuchen. Man habe sich ja erst konstituiert, so Vorsitzender Martin Ivancsics gegenüber NOVI GLAS, und warte auf die Genehmigung der Statuten von Seiten der Vereinsbehörde. Man wolle künftig aber ansuchen, etwa um Kooperationen eingehen zu können. Mit dem Haus der Geschichte sei eine angedacht, so Ivancsics.

Ausgelassene Jugend

Wenn es um die weitreichende Abdeckung der Volksgruppeninteressen geht, könnte man erfragen, inwieweit jüngere Generationen von Volksgruppenvertreter:innen in die Entwicklungen um die sogenannte “ständige Konferenz” einbezogen wurden. Roman Petek vom Klub slowenischer Studentinnen und Studenten in Klagenfurt/Celovec, KSŠŠK, sagt gegenüber NOVI GLAS, dass sie weder informiert noch einbezogen wurden. Wenngleich eine gemeinsame Vertretung Vor- und Nachteile haben könnte, sei der Weg, wie es zu ihr gekommen ist, aus seiner Sicht zu intransparent.

Es wäre nicht das erste Mal, dass sich die slowenischen Studierenden bei Vertretungsfragen ausgeschlossen fühlen. Ähnlich geschehen beim 100-jährigen Jubiläum des Kärntner Plebiszits 2020 – damals kritisierten die slowenischen Studierendenklubs in Dunaj/Wien, Gradec/Graz und Celovec, dass der Beirat für die slowenische Volksgruppe im Bundeskanzleramt, willkürlich entschieden habe, wer die Kärnter Slowen:innen als Redner beim Festakt zur Volksabstimmung vertreten soll. Sie kritisierten, dass der Rat in solchen Angelegenheiten keine Entscheidungsbefugnis habe und wünschten sich hinsichtlich der politischen Strukturen mehr Transparenz und etwa Klarstellung, wer sie zu welchem Zwecke vertrete.

Der kroatische akademische Klub HAK, der auch NOVI GLAS herausgibt, wartet noch mit einer Stellungnahme ab. Zugleich soll dieser Artikel ein möglichst unbefangenes Bild der Situation vermitteln.

Maßeinheit Minderheit

Wonach soll man die sogenannte Ständige Konferenz denn werten? Manuel Jug, ZSO-Vorsitzender in Kärnten und ab nächstem Jahr stellvertretender Beiratsvorsitzender, wartet ab. Er werde wahrscheinlich einfaches Mitglied der Konferenz werden. Auch wenn er der engeren Kooperation aller Volksgruppen positiv gegenübersteht, würde er die Errichtung der Konferenz nicht als alltäglich bezeichnen. Deren Erfolg würde er aber danach werten, wie sie von offizieller Seite angenommen würde.

Manuel Jug, ZSO

Am Papier ist es ein Verein und den werte sie nach seinen Tätigkeiten, sagt auch Gabriela Novak-Karall vom Kroatischen Zentrum in Wien. In ihrer Funktion als Beirätin im kroatischen Beirat wünscht sie sich Änderungen, was die unzufriedenstellende Kommunikation im Beirat angehe. Ob sie auch weiterhin in diesem Gremium sein wolle, wisse sie noch nicht definitiv. Und in der Konferenz? Aufgrund fehlender Informationen zu den Zielsetzungen und der Funktion, insgesamt zu den Statuten des Vereines, sei es zu früh, darauf eine Antwort zu geben. Und bei einem Rückzug aus dem Beirat stelle sich die Frage ohnehin nicht, so Novak-Karall.

Gutes für die Kleineren

Die kritischen Stimmen tümmeln sich insbesondere in den größeren Volksgruppen der Burgenlandkroat:innen und Kärntnerslowen:innen. Obwohl Andreas Sarközi über die Medien von der Konferenz erfahren hat, steht er als Geschäftsführer des Kulturvereins Österreichischer Roma dem neuen Verein positiv gegenüber. “Die Kleineren haben auch Anliegen, so könnten wir stärker wahrgenommen werden”, sagt er gegenüber NOVI GLAS. Auch die burgenlandungarischen Vertreter vom BUKV stehen der Gründung positiv gegenüber. Ein weiterer Beirat sieht in den tschechischen Vertretern in Wien die Motoren hinter der Konferenz, dort sei ja auch der Vereinssitz.

Was “Konferenz”-Vorsitzender Ivancsics jedenfalls nicht haben möchte, sei Parteipolitik im Verein. Deswegen sollen nur Beiräte der Vereinskurien in die Konferenz aufgenommen werden können. Wie das denn mit den parteipolitischen Vereinen, etwa der Arbeitsgruppe der ÖVP-Politiker DZ, ginge? Darauf antwortet Ivancsics, er habe noch mit gar niemandem von den Vereinen gesprochen. Er warte lieber auf das Okay der Vereinsbehörde.


Weiterführendes

Kärntnerslowenische Studierende gegen Redner 2020

Schreiben VGZ, 2012

Knappe mediale Kritik

Was wäre eine so umfangreiche Story, wenn sie nicht auch ein bisschen mediale Kritik vertragen würde. Die “Ständige Konferenz” hat nach ihrer Gründung eine Presseaussendung ausgeschickt. Der ORF Burgenland hat sie nur mit einer Handvoll abgeänderter Worte als eigenen Artikel veröffentlicht. Andere, gelungene ORF-Interviews bilden die Grundlage dieser Recherche, dennoch muss man diese Entwicklung kritisieren…


1 Comment

  1. Za koga novo društvo? Hrvatski jezik rapidno pada. Svako ljeto sve manje. Što se narodi je nimško novorođenjo dite. “Oj Vjahija” u južnom Gradišću kamo ideš? K nimškomu jeziku. Hrvatski jezik je tuđi jezik.

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