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Antiziganismus & Repräsentanz. Ein Gespräch mit Martin Horvath.

Aufklärung über verantwortungslose Talkshows

Letzte Woche wurde im deutschen WDR eine Sendung ausgestrahlt, in der ausschließlich mehrheitsangehörige Promis über die Verwendung von Begriffen wie “Zigeunersauce” diskutierten. Die ausgestrahlte Sendung hat hohe Wellen in den sozialen Medien geschlagen und auch Roma-Angehörige in Österreich empört. In der Nacht auf heute jährte sich in Österreich zudem das Roma-Attentat von Oberwart zum 26. Mal, bei dem vier Roma ermordet wurden. Martin Horvath (38) aus Siget in der Wart ist Gründer und Vorstandsmitglied des Vereins HANGO ROMA, einer der Schwerpunkte des Vereins ist Antiziganismusarbeit. Das ganze Telefongespräch mit Horvath ist als Podcast nachzuhören und unterhalb in gekürzter Form zu lesen.

Novi Glas: Wie ist es dir ergangen, als du von dieser Sendung im WDR erfahren hast?

Martin Horvath: Es ist in den letzten Monaten nicht neu, dass gegen die Volksgruppe der Roma gehetzt wird. Als Corona angefangen hat, in Ungarn, Rumänien, Slowakei hat man Schuldige gesucht und die Schuldigen waren die Roma. Die Sendung beweist, dass oft ein Thema gewählt wird, mit dem man Quoten erreicht: Die Diskussion – soll man das Zigeunersauce nennen oder nicht? – ist aber verantwortungslos. Das sind Personen in der Öffentlichkeit, die man liebt, die Vorbilder sind. Wenn man so diskutiert, ist das nicht in Ordnung. Man kann über die Verwendung des Begriffs “Zigeuner” eine Diskussion halten, aber dann muss man Vertreter von diversen Roma-Organisationen einladen, damit man gemeinsam darüber diskutieren kann.

NG: Wie stehst du zu diesem Begriff? Verwendest du ihn?

Der Begriff ist nicht in unserem Wortschatz, in Romanes gibt es das Wort Zigeuner nicht einmal. Man verbindet es mit dem ziehenden Gauner, es ist ein negatives Wort, das uns aufgedrückt worden ist. Wir sind so bezeichnet worden. Es gibt Leute, die sich als Zigeuner bezeichnen, aber das ist eine persönliche Geschichte. Das sind Einzelne, aber man kann keine gesamte Gruppe als Zigeuner bezeichnen. Es ist jedem überlassen, wie er sich bezeichnet. Für mich persönlich ist das Wort abscheulich. Früher, als das Burgenland zu Österreich gekommen ist, hat es die traditionellen Zigeunerkapellen gegeben, wo man mit Geige, Klarinette, Zymbal gespielt hat. Das ist das Wort traditionell, genauso werden wir “Zigeunerbaron” nicht ändern können. Aber Bezeichnungen wie die Zigeunersauce, natürlich kann man die ändern. Wenn man jetzt feurige Sauce oder pikante Sauce schreibt, hat das mit dem Begriff Zigeuner ja gar nichts zu tun, wenn was scharf ist.

NG: Machen wir den Sprung nach Österreich. Das war ja eine deutsche Fernsehsendung. Wie schätzt du Situation von Fernsehprogrammen in Österreich ein? Der ORF hat ja Fernsehsendungen auf Romanes, oder?

Auf Romanes gibt es eigentlich nur das viersprachige “Servus, Szia, Zdravo, Del Tuha” im Fernsehen. Das war so ausgemacht, weil die Roma nur die Radiosendung “Roma sam” haben, die zwanzig Minuten dauert. Die Roma haben im Gegensatz zu den Kroaten und Ungarn keine regelmäßigen, etwa wöchentlichen TV-Sendungen. Daran sieht man, dass die Volksgruppe medial noch nicht am Ziel angekommen ist. Wir haben nicht die gleichen Rechte. Sie sagen, es geht nach der Einwohnerzahl, aber wenn man den Schritt machen würde: eine eigene Sendung nur für Roma, einmal im Monat. Dann haben wir zwölf Sendungen und wären präsenter – mit positiven Beiträgen, besser als eine Talkshow, in der nur negativ berichtet wird.

Musst du oft Angehörige der Mehrheitsgesellschaft darüber aufklären, was Roma und Sinti sind und wie sie zu Österreich gehören?

Es gibt viele Fragen. Sie wissen, dass es uns gibt. Aber was wir sind, was die Kultur ist, das wissen sie nicht. In den Geschichtsbüchern steht wenig bis gar nichts. Am 27. Jänner war der Holocaust-Gedenktag. Da hat man zu 99 Prozent von den Juden gesprochen, nie von den Roma. Ich hab mir Fernsehbeiträge angesehen. Das tut im Herzen weh, wenn man weiß, dass im Holocaust eine halbe Million Roma umgekommen ist und die werden dann nicht erwähnt. Es wird berichtet, aber man lässt Details aus. Im Burgenland sind ein paar Hundert zurückgekommen – wo es vor 1938 ungefähr 11.000 Roma gegeben hat und nicht einmal 10 Prozent sind zurückgekommen. Die Mehrheitsbevölkerung ist noch nicht so weit mit der Geschichte der Roma und Sinti im Holocaust. Man sieht es an den Gedenktafeln, dass das sehr schleppend ist, dass man das ablehnt oder die Aufstellung herauszögert. In der Informations- und Sensibilisierungsarbeit gibt es viel zu tun.

Novi Glas: Hast du das Gefühl, dass es innerhalb Volksgruppe mehr Repräsentant:innen braucht, die vielleicht auch selbstbewusst dastehen und sagen: “Ich bin Rom und stolz darauf.

Die Jungen gehen normal damit um, dass sie Volksgruppenangehörige sind. Sie stehen zu ihrer Identität, aber sie stellen sich nicht nach vorn und posaunen heraus: “Ich bin ein Rom.” Natürlich brauchen wir mehr Aktivisten, die an der Front stehen und das machen. Roma, die Firmen haben oder Jahrzehnte integriert sind. Es gibt sehr viele unsichtbare Roma, die sich nicht outen. Wir haben auch keine politischen Vertreter.

NG: Zu diesem Punkt wollte ich auch kommen. Du hast 2015 für die Landtagswahlen kandidiert. Als erster Kandidat aus deiner Volksgruppe.

Genau, ich war der erste Rom, der im Burgenland für eine Landtagswahl kandidiert hat.

NG: Wie waren deine Erfahrungen?

Die waren sehr positiv. Ich hatte Wählerstimmen von Nord bis Süd. Aber meist hat man es als Volksgruppenangehöriger schwierig, sich in in der Politik zu etablieren. Im Parlament oder auch im Landtag sind von den anderen Volksgruppen einige drin, wir haben keinen. Aber auch etwa beim AMS: Gibt es einen Rom als Berater? Ich kenne keinen. Oder beim Finanzamt oder in der BH? Andere Volksgruppen und die Mehrheitsbevölkerung ist vertreten, wir Roma sind es nicht. Das ist noch immer so wie vor dreißig Jahren – leider.

NG: Es ist auch über dreißig Jahre her, dass der erste Romaverein in Österreich gegründet worden ist.

Das war 1989, wo im Juni die erste Romaorganisation gegründet wurde.

NG: Du bist auch im Volksgruppenbeirat der Roma. Bist du da der Jüngste?

Jetzt sind wir zu acht. Wir haben Kirchenvertreter und Vereinsfunktionäre. Die Manuela ist Kirchenvertreterin, sie ist zwei Jahre jünger. Ich bin 38.

Das Gespräch gibt es auch als Podcast zu hören
Foto: HANGO ROMA


Weiterführendes

HANGO ROMA – Vereinsseite

Am 15.2. gibt es einen Zoom-Vortrag von Herbert Brettl über die Volksgruppe und ihre Internierung von 1938-45

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