Vor einer Woche wurde das Neujahrskonzert gespielt. In der üblichen Pause gab es einen Pausenfüller. Einen Film über das Burgenland, der kritischen Hagel zulässt.
Es ist ein gescheiterter Bildungsauftrag an die Touristenmassen ohne Erklärung. Zwanzig Minuten vor einer Kulisse, die für sich sprechen sollte. Aber sie tut es nicht. Der Musikdokumentarfilm “Happy Birthday, Burgenland! 1921-2021” zeigt nur Musikstücke und ein paar Ortsnamen, den Rest muss sich das internationale Publikum zusammenreimen. Es folgt der Begleittext, den das Werk verdient hat.
Die Musikauswahl, die hat gepasst. Überwiegend alte Hüte, aber für orchestrale bis Kammermusik-Aufarbeitung in Ordnung. Wenn man bloß gewusst hätte, wie die Musikstücke heißen und ein bisschen etwas zu ihren Komponisten. Wer versteht die Vielfalt ohne Beschreibung?
Franz Liszt. Kennt ihn die Welt? Der Wunderknabe und klavierspielende Superstar Franz dürfte mehr von Europa verstanden haben als einige Politiker zurzeit. Besonders gewitzt, da sich die Nationen, in denen Liszt ins Raiding dieser Welt geboren wurde – Westungarn; jetzt Ostösterreich – darüber streiten, ob er Ungar oder doch Österreicher war. Das Burgenland war zu Liszts Tod nur ein Hirngespinst, nur ein unbedeutendes Tindermatch postmonarchischer Träumereien.
Joseph Haydn. Oder: “Die zur Kaiser- und Nazi-Hymne gewordene Heurigenmusik, die Haydn von betrunkenen Kroaten aufgeschnappt haben muss.” Wäre doch eine super Moderation fürs Neujahrskonzert…stattdessen muss man sich fragen, warum ein junger Mann mit braunem Ledermantel und fragwürdigen Apparaten durch die Gegend fährt.
Nach dem dritten oder vierten herbeigepfiffenen Foto des wandelnden Ledermantels wird die Geschichte so langweilig. Warum hat man da nicht zumindest einen Halbtag damit verbracht, sich eine Dramaturgie fürs Drehbuch zu überlegen? Was ist das? Was es aussagt: Das ist kein Kartograph sondern ein höhnischer Adelsbub, der als einzig Motorisierter durchs Land fährt und die Bevölkerung zwingt vor seinem Kästchen zu posieren.
Die anderen Musikstücke lasse ich außen vor bis auf: “Wien bleibt Krk” von Georg Breinschmid. Der Kontrabassist, der den Philharmonikern den Rücken gekehrt hat, um lieber Jazz zu machen, singt seither gern mal in seinen Liedern (etwa “Klassik Gstanzln”) über das steife Orchester:
“Einst wollte ich werden ein großer Solist, jedoch im Orchester mein Dasein ich frist. Ich habe Musik studiert, auch mit Diplom, seither warte ich nur mehr auf meine Pension.“
Die Musiker:innen, die ihn mitten im Neusiedlersee in kitschiger Abendsonne vertonen sind wunderbar. Falls das im Text bis jetzt nicht so rüberkommt. Das Neujahrskonzert ist vorbei. Aber was mach ma mit dem Film, dem Schinken?
Vom ausgestellten zum eingestellten Land. Vorschlag der Zweitverwertung.
Das Burgenland ist nur noch eine Hülle. Ein Kurzfilm, der erinnert. Wenn die AUA wieder per Flugzeug Touristen nach Österreich bringt, wird das nostalgische Filmchen abgespielt. Die Menschen nervös, warten aufstehen zu dürfen, um ihr Handgepäck behutsam auf den Sitznachbar fallen zu lassen. Noch ein bisschen Geduld in angeschnallter Wartehaltung, Blick auf den Screen. Ein Mann mit Kapperl fährt durch ein Land, das Sensenmänner und -frauen bewirtschaften. Er ist der Einzige, der ein Auto hat. Die Menschen, sie verwehren sich der Moderne. Der Rückzug in die Natur wird im Burgenland seit Jahrhunderten gelebt. Wir bauen lieber Weinkeller als echte Häuser. Die Windräder sind nur da, um Drohnen der Kamerateams vom Himmel zu holen. Die Volksgruppen tanzen geheim ihre Tänze in den Tiefen der Wälder. Hüten sie in völliger Isolation. Langsam verstummen zuerst ihre Sprachen, dann ihr Liedgut. Bis nur noch die Bäume wissen, wie sich ein krowodisches Bauerngstanzl anhört. Ein metallenes Röhren, ein Sägen holt den Wald ein. Der Stammbaum des Burgenlandes, der Baum der Stämme, wird gefällt, das flache Land planiert und asphaltiert. Die Insassen des Flugzeugs klatschen ein leises Lied zum 150. Jubiläum. Sie sind gelandet, das flache und lange Land im Osten wurde zur größten, zur vierten Piste. Kein Tourist kann mehr nach Österreich kommen, ohne im Burgenland zu landen. Das Land ist tot, der Tourismus der Massen hat sein Ziel erreicht.
Der Volltext wird im Jubiläumsjahr noch gedruckt erscheinen.
Das Deutschlandlied, das Kaiserquartett und seine Geschichte.